Fort-und Weiterbildung
Abstracts des Münchener Symposiums für Kinder- und Jugendgynäkologie
Anlässlich des 25-jährigen Bestehens der Arbeitsgemeinschaft vom 23. bis 25. Oktober 2003, Frauenklinik, Klinikum Großhadern, Ludwig-Maximilians-Universität, München
Dr. med. Christina Drexel-Fink, Mainz
„Take-Home-Message“: Kontrazeption bei chronisch kranken Jugendlichen
Anfallsleiden (Epilepsie)
Der Einsatz oraler Kontrazeptiva ist nicht grundsätzlich kontraindiziert. Es gibt keine Hinweise, dass unter Anwendung oraler Kontrazeptiva die Anfallsfrequenz gesteigert wird. Allerdings muss berücksichtigt werden, dass durch die Induktion von Leberenzymen mit Aktivierung des Zytochrom-P-450-Systems aufgrund gleichzeitig ein-gesetzter Antikonvulsiva (Barbiturate, Carbamazepin, Phenytoin, Primidon) die Wirksamkeit oraler Kontrazeptiva über einen vermehrten Abbau der Hormone deutlich reduziert werden kann. Die Versagerquote wird viermal höher als normal angenommen. Nicht immer weisen Zwischenblutungen auf eine verminderte Wirksamkeit der Ovulationshemmer hin. Daher sollen orale Kontrazeptiva, falls möglich, mit nicht-enzyminduzierenden Antikonvulsiva (Valproinsäure, Gabapentin) kombiniert werden. Von einigen Autoren wird empfohlen, die verstärkte Metabolisierung durch eine höhere Dosierung der Hormone, mindestens 50 µg Ethinylestradiol bzw. 80 µg Mestranol, auszugleichen. Eine Verträglichkeit der hohen Hormondosen muss allerdings noch gewährleistet sein. Außerdem wurden auch in diesem Dosisbereich noch unerwünscht eingetretene Schwangerschaften beobachtet.
Nicht-enzyminduzierende Antikonvulsiva können mit niedrig dosierten oralen Kontrazeptiva kombiniert werden. Die Sicherung der Ovulationshemmung kann durch Blutentnahmen vor Beginn und zehn Tage nach begonnener Einnahme oraler Kontrazeptiva im GnRH-Test abgeschätzt werden. Bei einem Estradiol-Serumspiegel <50pg/ml, einer LH-Konzentration deutlich unter 10 IE/l und einer Suppression des LH-Stimulationswertes um mehr als 30 % ist von einem sicheren kontrazeptiven Schutz auszugehen. Es ist sinnvoll, bis zur Sicherung der Ovulationshemmung zusätzlich Barrieremethoden einzusetzen. Kontraindikationen für Barrieremethoden bestehen aufgrund der Grunderkrankung Anfallsleiden nicht. Bei einigen Patientinnen wurde über positive Erfahrungen mit Levonorgestrel-haltigen Implantaten (Noristerat ®) und Medroxyprogesteronazetat (Depo-Clinovir®) berichtet.
Es gibt allerdings auch bei der Anwendung von Depotgestagenen Hinweise auf erniedrigte Hormonkonzentrationen und ungeplante Schwangerschaften, wenn diese in Kombination mit enzyminduzierenden Antikonvulsiva eingenommen wurden, so dass die oben genannten Hormonanalysen auch hier zu empfehlen sind.
Asthma bronchiale
Das Zyklusgeschehen kann den Verlauf des Asthma bronchiale deutlich beeinflussen. Zyklischen Schwankungen des Atemwegwiderstandes von Asthmapatientinnen fallen durch die Einnahme oraler Kontrazeptiva geringer aus als dies bei natürlichem Zyklus beobachtet wurde. Allerdings sind Details dieser Beobachtung nicht bekannt. Auch wird ein solcher Einfluss nicht durchgängig beobachtet. Im Hinblick auf die symptomatische Behandlung des Asthma bronchiale konnte gezeigt werden, dass orale Kontrazeptiva nicht die ß2-Rezeptorregulation und -funktion bei stabilen asthmatischen Frauen verändert. Insgesamt gilt für die Anwendung von oralen Kontrazeptiva bei Asthmapatientinnen keine Kontraindikation.
Grundsätzliche Bedenken gegen die Anwendung von Barrieremethoden bei Asthmapatientinnen bestehen nicht. Einzelne Fallberichte weisen auf die Möglichkeit einer allergischen Asthmaauslösung durch Anwendung von Kondomen bei Latexallergie hin.
Chronisch entzündliche Darmerkrankungen (IBD)
Über den Einsatz verschiedener Verhütungsmethoden bei chronisch entzündlichen Darmerkankungen liegen in der Literatur bisher wenige Daten vor. Es gibt ernst zu nehmende Hinweise darauf, dass durch Einnahme oraler Kontrazeptiva die Inzidenz des Morbus Crohn bzw. der Colitis ulcerosa ansteigt. Dabei wurden verschiedene klinische Verlaufsformen (ischämische, Crohn-ähnliche und atypische Form) unterschieden, allerdings konnte bisher ein abschließendes pathogenetisches Konzept für den angenommenen Zusammenhang zwischen oraler Kontrazeption und der Manifestation von Enterokolitiden nicht vorgelegt werden. Es muss zudem berücksichtigt werden, dass bei Patienten mit IBD nach den Ergebnissen verschiedener Arbeitsgruppen u.a. von einer erhöhten Thromboseneigung auszugehen ist. Dieser Aspekt muss bei der Verordnung oraler Kontrazeptiva an diese Patientinnen bedacht werden. Zur Frage, inwiefern eine durch die Erkrankung bedingte Malabsorption bzw. der Zustand nach Ileumresektion zu einer Wirkungsverminderung der oralen Kontrazeptiva führen können, wurden Patientinnen mit Colitis ulcerosa vor und nach Proktokolektomie untersucht. Nach Kontrazeptiva-Einnahme erfolgte jeweils die Bestimmung des Levonorgestrelspiegels.
Es zeigte sich, dass Patientinnen mit leichter Colitis ulcerosa und mit kurzen ilealen Resektionen (8,8 ± 8 cm) kombinierte orale Kontrazeptiva, die Levonorgestrel enthalten, ohne Bedenken einnehmen können. Die Anwendung der Minipille nach Proktokolektomie und ilealer Resektion soll allerdings nur mit Zurückhaltung erfolgen, da im Einzelfall eventuell ausreichende Wirkspiegel nicht erreicht werden. Über negative Erfahrungen bei der Anwendung von Intrauterinpessaren und Barrieremethoden durch Patientinnen mit chronisch entzündlichen Darmerkrankungen wurde bisher nicht in der Literatur berichtet. Die Adoleszentin muss daher in sorgfältiger Anal- und Genitalhygiene im Zusammenhang mit Diarrhoen unterwiesen werden.
Migräne
Durch die große Zahl der von Migräne betroffenen jungen Frauen hat die Frage nach einer geeigneten Kontrazeption eine große Praxisrelevanz. Es muss berücksichtigt werden, dass orale Kontrazeptiva vielfach als Stimulus wirken und bei prädisponierten jungen Frauen eine Migräne auslösen. Die „Collaborative Group for the Study of Stroke in young Women“ untersuchte die Wechselwirkungen zwischen Insulten, Anwendung oraler Kontrazeptiva und anderen Faktoren wie z.B. Migräne. Nach dieser Studie hatten Migränepatientinnen schon ohne OC-Einnahme ein doppelt so hohes Risiko für zerebrale Insulte wie gesunde Frauen. Die Kombination von Migränekopfschmerzen und Einnahme oraler Kontrazeptiva erhöht zusätzlich das Risiko besonders für thrombotische Insulte. Die Ursache für die Auslösung oder Verschlechterung der Migräne oder migräneartiger Cephalgien liegen offensichtlich in Störungen des endokrinen Gleichgewichtes bzw. des Metabolismus. Gerade dem Östrogenanteil der oralen Kontrazeptiva wird die auslösende Ursache für die Kopfschmerzen zugeschrieben. Bei von Migräne ohne fokale neurologische Symptome betroffenen Frauen können orale Kontrazeptiva, vorzugsweise mit niedrigem Östrogengehalt, angewendet werden, solange sich die Kopfschmerzen nicht verschlechtern. In Fällen einer Verschlechterung der Symptomatik sollte die hormonale Kontrazeption nicht fortgesetzt und ein Intrauterinpessar oder eine Barrieremethode angewendet werden.
Ebenfalls sollten Frauen, die unter einer Migräne mit begleitenden neurologischen Symptomen leiden, alternative Methoden der Kontrazeption bevorzugen. Der Einsatz reiner Gestagenpräparate (Minipille, Depotgestagene) kann unter Berücksichtigung der entsprechenden Nebenwirkungen (schlechtere Zykluskontrolle) in Erwägung gezogen werden. Wird keine Form der oralen Kontrazeption toleriert, können Intrauterinpessare in die Beratung einbezogen werden. Hier kommen sowohl die bekannten Intrauterinpessare mit Kupferdrahtummantelung als auch hormonfreisetzende Intrauterinpessare (z.B. MirenaR) in Frage. Laut Herstellerhinweisen ist bei den Levonorgestrel-freisetzenden Pessaren auf eine Verschlechterung einer bereits bestehenden Migräne zu achten.
Erfahrungen bei Adoleszentinnen liegen noch nicht vor. Bei einer Migräne mit fokalen neurologischen Symptomen ist generell eher von einem hormonfreisetzenden Intrauterinpessar abzuraten. Bei verantwortungsbewussten disziplinierten Patientinnen kann man auch lokale Verhütungsmethoden wie Kondome und Scheidendiaphragma, jeweils kombiniert mit spermiziden Vaginalovula empfehlen.
(Literatur kann bei den Verfassern angefordert werden.)
Dr. med. C. Drexel-Fink und F. Peters,
Frauenklinik, St. Hildegardis-Krankenhaus, Katholisches Klinikum, Mainz