PD Dr. med. Dominik T. Schneider, Düsseldorf
Juvenile Granulosazelltumoren und Keimstrang-Stromatumoren des Ovars
Keimstrang-Stromatumoren des Ovars (ovarian sex cord – stromal pubertätsstadientumors, OSCST) sind seltene Tumoren, über die in der Literatur bislang keine systematisch und prospektiv erfassten epidemiologischen und klinischen Daten vorliegen. Bezogen auf alle Ovarialtumoren (bei Kindern und Erwachsenen) wird die relative Häufigkeit der OSCST in der Literatur mit etwa 8% angegeben. Im Kindertumorregister der GPOH in Kiel tragen SCST knapp 20 % zu den Ovarialtumoren bei. Aufgrund der geringen Inzidenz von ovarialen Keimzelltumoren bei Säuglingen und Kleinkindern sind OSCST relativ häufiger und somit charakteristische Tumoren der Keimdrüsen bei Kleinkindern.
Ziel der mit dem Judith-Esser-Mittag-Preis 2002 der Arbeitsgemeinschaft Kinder- und Jugendgynäkologie e.V. ausgezeichneten Arbeiten ist es, klinische, histopathologische und genetische Muster bei OSCST erkennbar werden zu lassen, die eine Risikostratifizierung der Therapie erlauben. Zu diesem Zweck sind die zwischen 1980 und 2000 als Beobachtungspatientinnen an die MAKEI-Therapieoptimierungsstudien gemeldeten Patientinnen mit OSCST prospektiv analysiert worden (n = 54). Darüber hinaus sind Tumorproben des Kieler Kindertumorregisters histologisch (n = 72), immunhistochemisch (n =52) und molekulargenetisch (n = 26) mittels vergleichender genomischer Hybridisierung (CGH) untersucht worden.
In der Auswertung der klinischen Daten zeigt sich, dass besonders bei Kleinkindern die endokrinologische Symptomatik im Sinne einer isosexuellen Pseudopubertas praecox führend ist. Neben einem Wachstumsschub, Entwicklung von Schambehaarung oder Größenzunahme der Brustdrüse führt häufig eine vaginale Blutung zur Diagnose. Bei anderen Patientinnen kann es infolge einer Stieldrehung oder Tumorruptur zu dem klinischen Bild eines akuten Abdomens kommen.
Die Prognose der OSCST ist insgesamt günstig, da die Hälfte der Tumoren als lokalisierte Tumoren (FIGO Stadium Ia) diagnostiziert wird (Abbildung 1) . Bei etwa 15% der Patientinnen ist bei Diagnose bereits eine peritoneale Tumoraussaat vorhanden (FIGO-Stadium IIIII); Fernmetastasen sind nur in Rezidivsituationen beobachtet worden.
Bei Tumoren im Stadium FIGO II-III hat sich eine Kombinationschemotherapie, bestehend aus Cisplatin, Etoposid und Ifosfa-mid als effektiv erwiesen (Schneider et al., Klinische Pädiatrie 2002).
Abb. 1: Ereignisfreies Überleben in Abhängigkeit vom Tumorstadium. Auswertung von 54 Patientinnen MAKEI-Studien (aus: J Clin Oncol 2003).
Bei Patientinnen mit einer mikroskopischen Tumoraussaat (FIGOStadium Ic, d.h. Tumorruptur, -punktion, maligner Aszites) ist die Entscheidung für oder gegen eine adjuvante Chemotherapie problematisch. Als Risikofaktoren, die bei Patientinnen mit Tumorstadium Ic für eine adjuvante Chemotherapie sprechen, sind eine präoperative Tumorruptur oder ein maligner Aszites zu nennen. Bei der Hälfte dieser Patientinnen ist ansonsten mit einem Rezidiv zu rechnen, während wir bei keiner Patientin ein Rezidiv beobachtet haben, wenn der Tumor nur während der Operation eröffnet (z.B. punktiert) wurde und der Aszites tumorzellfrei war (Schneider et al, Journal of Clinical Oncology 2003). Somit ist eine detaillierte Beschreibung und differenzierte Bewertung des Situs und des operativen Vorgehens erforderlich. Weiterhin ist die zytologische Untersuchung des Aszites verpflichtend.
Als günstiger klinischer Prognosefaktor hat sich ein junges Alter bei Diagnose herausgestellt. Dabei korrelierte ein junges Erkrankungsalter außerdem mit dem klinischen Befund einer Pseudopubertas praecox und einem niedrigen Tumorstadium.
In der Auswertung der Pathologie der OSCST hat sich eine altersabhängige Verteilung der verschiedenen histologischen Typen offenbart. Die juvenilen Granulosazelltumoren, die etwa zwei Drittel aller OSCST ausgemacht haben, treten bei jüngeren Kindern auf als Sertoli-Leydig-Zelltumoren, sklerosierende Stromatumoren, Keimstrangtumoren mit annulären Tubuli oder Tumoren der Thekom-Fibrom-Gruppe.
Allen Tumoren ist die Produktion von Inhibin gemeinsam, so dass der immunhistochemische Nachweis von Inhibin ein wichtiges differentialdiagnostisches Merkmal in der Abgrenzung von Ovarialkarzinomen und malignen Keimzelltumoren darstellt (Abbildung 2).
Abb. 2: Immunhistochemischer Nachweis von Inhibin in einem Keimstrangtumor mit annulären Tubuli.
Darüber hinaus zeigt sich häufig eine Ko-Expression von Zytokeratinen und Vimentin. Somit finden sich Expressionsmuster, wie sie auch in unreifen fetalen Entwicklungsstufen von Granulosa- und Sertoli-Zellen nachweisbar sind (Schneider et al., Virchows Archiv, in press). Die Korrelation der histopathologischen Befunde mit den klinischen Daten der MAKEI-Studie hat ergeben, dass eine hohe mitotische Aktivität bei Tumoren im Stadium Ic-III mit einem signifikant erhöhten Rezidivrisiko einhergeht (Abbildung 3).
Abb. 3: Ereignisfreies Überleben in Abhängigkeit von der mitotischen Aktivität. Auswertung von 48 Patientinnen der MAKEI-Studien nach referenzhistopathologischer Analyse am Kindertumorregister in Kiel (aus: Schneider et al, J Clin Oncol 2003).
Bei 26 archivierten Tumorproben ist es gelungen, die Tumoren mittels vergleichender genomischer Hybridisierung hinsichtlich chromosomaler Imbalancen zu untersuchen. Im Gegensatz zu den malignen Keimzelltumoren oder Ovarialkarzinomen zeigt die Mehrzahl der untersuchten Tumoren einen balancierten Karyotyp. Bei einzelnen Tumoren finden sich Imbalancen einzelner Chromosomen wie z.B. ein Zugewinn des Chromosoms 12 oder Verluste am langen Arm vom Chromosom 2.
Zusammenfassend haben die Untersuchungen gezeigt, dass sich auch bei seltenen Tumoren wie den OSCST durch zentrale Erfassung und standardisierte Auswertung wichtige Informationen für eine Risikostratifizierung der Behandlung ableiten lassen:
- Die OSCST sind bei Kleinkindern in der Differentialdiagnose der isosexuellen Pseudopubertas praecox zu berücksichtigen.
- Bei Nachweis eines Ovarialtumors in der bildgebenden Diagnostik ist eine standardisierte Diagnostik einschließlich einer detaillierten endokrinologischen Diagnostik und der Bestimmung der Tumormarker (AFP, s-HCG, Inhibin) anzuschließen.
- Die komplette operative Entfernung des Tumors mittels Ovarektomie oder Adnektomie ist entscheidend.
- Bei dieser Gelegenheit sind die zytologische Untersuchung der Peritonealflüssigkeit und aufgrund der Seltenheit der Tumoren eine referenzhistopathologische Beurteilung verpflichtend.
- Bei Patientinnen im Tumorstadium Ic und präoperativer Ruptur oder malignem Aszites bzw. in den Stadien II-IV ist eine adjuvante Chemotherapie indiziert.
- Außerdem ist es wünschenswert, intraoperativ Gewebeproben für weiterführende zyto- und molekulargenetische Untersuchungen zu asservieren.
Die dargestellten Ergebnisse finden Eingang in ein prospektives Therapieoptimierungsprotokoll für ovariale Keimstrang-Stromatumoren bei Kindern und Jugendlichen. Weitere Informationen und Beratung bezüglich der Behandlung einzelner Patientinnen können bei den Autoren unter der u.a. Adresse eingeholt werden.
Die Arbeiten werden unterstützt von der Deutschen Krebshilfe e.V.
(Literatur kann bei den Verfassern angefordert werden.)
PD Dr. med. D.T. Schneider, G. Calaminus, D. Harms und U. Göbel,
Klinik für Kinder-Onkologie, -Hämatologie und -Immunologie,
Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf