Fort- und Weiterbildung

Abstracts des Münchener Symposiums für Kinder- und Jugendgynäkologie
Anlässlich des 25-jährigen Bestehens der Arbeitsgemeinschaft vom 23. bis 25. Oktober 2003, Frauenklinik, Klinikum Großhadern, Ludwig-Maximilians-Universität, München

Prof. Dr. med. Alfred S.Wolf, Ulm

Hyperandrogenämie: Was ist wichtig für den Gynäkologen?

Die Hyperandrogenämie ist neben der hypothalamischen Dysfunktion die häufigste Form von Zyklusstörungen bei jungen Mädchen. Die häufigsten Symptome und Befunde einer Hyperandrogenämie sind:

  • Hirsutismus
  • Acne vulgaris
  • Seborrhoe
  • Effluvium, Alopecia androgenetica
  • Virilismus (starke Androgenisierung mit Klitorishypertrophie, Stimmveränderungen, Zunahme von Muskelmasse, Muskelkraft).

Diese Befunde sind meist Anlass für die Vorstellung in einer Sprechstunde. Sämtliche androgenetischen Symptome werden durch die Androgenhormone Testosteron, Dihydrotestosteron, das Proandrogen Androstendion verursacht. Das Ausmaß der androgenetischen Veränderungen ist nicht direkt mit dem Schweregrad des Androgenexzesses korreliert. Für die genaue Diskription des Hirsutismus hat sich die Klassifikation nach BARON (1974) bewährt.

Folgende Diagnostik ist im Rahmen von androgenetischen Symptomen oder Befunden angezeigt:

  • Anthropomorphe Daten: Body-Mass-Index, Taille-/Hüft-Quotient
  • Diskription der androgenetischen Veränderungen
  • Ultraschalldiagnostik (transabdominal oder vaginal, soweit möglich) mit Bestimmung von: Uterusgesamtlänge und Endometriumdurchmesser, Sonomorphologie der Ovarien mit Messung des Ovarvolumens (= Länge x Höhe x Breite x 0,5), Größter Längsdurchmesser, Anzahl der Follikel (normal < 11), Anzahl der Follikel mit Durchmesser < 6 mm (bei PCO mehr als 50 %, Echogenitat des Stromas).
  • Labor: Basisbestimmung (möglichst Mischserum) von: Testosteron, DHEAS, Androstendion, SHBG, FSH, LH, Prolaktin, TSH. Blutentnahme möglichst vor 15 Uhr (wegen Anstiegs der adrenalen Androgensekretion) in der Follikelphase.

Die weitergehende Diagnostik richtet sich nach den Basiswerten und umfasst folgende Tests:

  • Dexamethason-Test
  • Orale Glukosebelastung (bei erniedrigtem SHBG und Adipositas)
  • Fettstoffwechseluntersuchung.

Häufige klinische Erkrankungen bei jungen Mädchen:

  • Das PCO/HAIR-Syndrom,
  • Das adrenogenitale Syndrom.

Das PCO-Syndrom ist eine Assoziation unterschiedlichster Phänotypen mit zahlreichen Symptomvarianten und Kombinationen. Das typische PCO-Syndrom ist charakterisiert durch:

  • Hyperandrogenämie mit Hirsutismus, Akne, Alopezie, Seborrhoe (fakultatives Auftreten)
  • Übergewicht oder Adipositas mit Insulinresistenz, + Fettstoffwechselstörung
  • Vergrößerte polyzystische Ovarien.

Bei diesem Syndrom ist die Hyperandrogenämie eine Folge des LH-Effektes auf die Theka interna mit Erhöhung der ovariellen Androgenproduktion. Der Hintergrund ist häufig eine genetisch bedingte Insulinresistenz mit Hyperinsulinämie. Die Folgen sind metabole (Adipositas, Fettstoffwechselstörung, Prädiabetes oder Typ-II-Diabetes) und gonadale Befunde (Hyperandrogenämie, Anstieg der LH-Sekretion mit follikularem Arrest). Typischerweise beginnt das PCO/HAIR-Syndrom mit der Pubertät, mit Verlängerung der Zeitspanne zwischen Adrenarche und Menarche über mehr als drei Jahre und ansteigendem Gewichtsverlauf. Bei diesem Erkrankungsbild hat die Adipositas und Insulinresistenz mit Hyperinsulinämie eine wichtige pathophysiologische Bedeutung. Dabei kann allein die Insulinresistenz mit Hyperinsulinämie, jedoch auch Störungen der Androgenbildung im Rahmen eines Polymorphismus im P450-C17-a-Gen mit funktioneller, ovarieller und adrenaler Hyperandrogenämie wegbereitend sein. Es wird angenommen, dass diese Genpolymorphismen die biomolekulare Basis darstellen, wobei ein 2. pathogenetischer Faktor (second hit) notwendig ist, um das Vollbild auszulösen. 

Die Therapie des PCO soll folgende Ziele verfolgen:

Beseitigung der Hyperandrogenämie durch

  • Suppression einer überschießenden NNR-Aktivität mit Kortikosteroiden, Suppression der Ovarialaktivität mit antiandrogenwirksamen oralen Kontrazeptiva.

Beseitigung der Hyperinsulinämie durch

  • Gewichtsreduktion (ausgesprochen schwierig), Ausdauersportbetätigung, Medikamente (am besten untersucht ist Metformin in einer Dosierung von 1- 3 x 500 mg sowie Acarbose), Normalisierung des Fettstoffwechsels (Diät, Statine, Filrate).

Das late-onset-AGS (adrenogenitales Syndrom)

Das adrenogenitale Syndrom ist durch eine kongenitale Enzymstörung der 21-Hydroxylase verursacht. Neben der Basisdiagnostik ist die Bestimmung von 17-Hydroxyprogesteron ausschlaggebend und beweisend. Bei fraglichen Werten, die stets in der Follikelphase bestimmt werden müssen, ist ein ACTH-Test (Heterozygotentest) beweisend. Der klassische Hydroxylasedefekt, der nach der Pubertät meist in Form eines late-onset-AGS (d.h. nicht klassische Form des AGS) auftritt, ist in 6% die Ursache der Hyperandrogenämie.

Kennzeichen sind:

  • Vorzeitige Adrenarche,
  • Akzeleration des Knochenalters,
  • Hirsutismus, Akne, Seborrhoe,
  • Glatzenbildung,
  • Kleinwuchs,
  • Zyklusunregelmäßigkeiten, Amenorrhoe und Sterilität.

Die Therapie liegt in der Regel in der Verwendung von Kortikosteroiden zur Minderung des Androgenexzesses und/oder gleichzeitig antiandrogenen Kontrazeptiva. Bei jungen Mädchen ist die frühzeitige Erkennung der Hyperandrogenämie und der dahinterstehenden möglichen Störungen des Glukose- und Fettstoffwechsels elementar wichtig, da damit zahlreiche komplexe spätere Krankheitsbilder präventiv erfasst werden können. Es handelt sich dabei um Erkrankungen wie das metabolische Syndrom Typ-II-Diabetes mit den Folgeerkrankungen: Kardiovaskulär und zerebrovaskulär (Herzinfarkt und Schlaganfall), erhöhtes Risiko für Endometrium- und Mammakarzinom.

Diese Erkrankungen, welche das Gesundheitswesen erheblich belasten, können vor diesem Hintergrund frühzeitig erkannt und durch konkrete präventive Maßnahmen vermieden werden. Außerdem lassen sich durch rein ästhetisch-kosmetische Korrekturen mit Hilfe der bekannten antiandrogenwirksamen Präparate die Vitalität, psychische Reifung verbessern, ganz abgesehen von den großen Chancen für die Volksgesundheit.

Prof. Dr. med. Alfred S.Wolf, Ulm