Fort- und Weiterbildung

Abstracts des Münchener Symposiums für Kinder- und Jugendgynäkologie
Anlässlich des 25-jährigen Bestehens der Arbeitsgemeinschaft vom 23. bis 25. Oktober 2003, Frauenklinik, Klinikum Großhadern, Ludwig-Maximilians-Universität, München

Posterbegehung

Eine differentialdiagnostische Herausforderung der kindergynäkologischen Sprechstunde: Das Poland-Syndrom

Fragestellung:
Welche diagnostischen und differentialdiagnostischen Maßnahmen führen in der kindergynäkologischen Sprechstunde zur richtigen Diagnose bei einseitiger Entwicklungsstörung der Brust, und wie sieht das therapeutische Procedere aus?

Einleitung:
Das 1841 von Poland erstmalig beschriebene Syndrom ist gekennzeichnet durch unilaterale Synbrachydaktylie und ipsilaterale Aplasie des sternalen Pectoralismuskelkopfes sowie fakultativ durch Hypooder Aplasie der unilateralen Mamma und/oder Mamille. Als Ursache wird eine frühe embryonale Durchblutungsstörung der Arteria subclavia und der vertebralen Arterien diskutiert, eine zusätzliche genetische Prädisposition wird vermutet.

Material und Methode:
Unabhängig voneinander wurden uns in unserer kinder- und jugendgynäkologischen Sprechstunde drei Mädchen (Jahrgang 90) zu Beginn ihrer Pubertät mit einseitigen Entwicklungsstörungen der Brust vorgestellt. Die Mädchen kamen aus unterschiedlichen Orten im Umkreis von Marburg und waren nicht miteinander verwandt. Der differentialdiagnostische Ausschluss einer physiologischen, unilateral beginnenden Thelarche erfolgte durch klinische Untersuchung mit Beurteilung der Tanner-Stadien der Geschlechtsentwicklung sowie durch standardisierte Sonographie von Thoraxwand und Mamma.

Ergebnisse:
Bei zwei der drei Mädchen lag eine einseitige vollständige Aplasie der Brustdrüse vor mit unterschiedlich ausgeprägter Hypoplasie der Mamille und Pectoralismuskulatur. Bei dem dritten Mädchen fand sich eine Hypoplasie der Mamma mit deutlich ausgeprägtem Defekt der knöchernen Thoraxwand – jedoch ohne funktionelle Beeinträchtigung – mit Pectoralisaplasie und ipsilateraler Handfehlbildung. Kardiale und renale Begleitfehlbildungen konnten bei allen Mädchen durch gezielte Sonographie ausgeschlossen werden.

Zusammenfassung:
Zum Ausschluss der wichtigsten Differentialdiagnose des Poland-Syndroms – der unilateral einsetzenden Thelarche – bietet die standardisierte Sonographie eine hohe Sicherheit ohne den Einsatz von invasiven Untersuchungsverfahren. Die Therapie des Poland-Syndroms liegt in einer primären kosmetischen Versorgung, z.B. durch Klebeprothesen, um psychische Störungen zu minimieren. Eine definitive kosmetische Sanierung sollte nach Abschluss des pubertären Wachstums durch eine operative Rekonstruktion erfolgen.

Dr. med. A. Weidner, K. Bock, C. Heitmann, W. Stein und U. Wagner,
Klinik für Gynäkologie, Gynäkologische Endokrinologie und Onkologie
der Philipps-Universität Marburg