Fachwissen
Lena, eine Erfolgsgeschichte
von Dr. med. Ingeborg Voß-Heine
aus korasion Nr. 3, August 2009
Lena kam als drittes Kind durch geplante Re-Re-Sectio 1990 in der 39+1 SSW mit 3000 Gramm und 51 Zentimetern zur Welt. Die Mutter hatte schon immer das Gefühl, „dass Lena ‚anders‘ war“. Als Kind habe sie immer Ödeme an Händen und Fußrücken gehabt, es sei kaum möglich gewesen, passende Schuhe zu finden. Lena war als Kleinkind häufig wegen Mittelohrentzündungen in ärztlicher Betreuung, wegen Schielens wurde sie am Auge operiert, sie hatte schon immer sehr viele Naevi.
Zunächst wuchs Lena unauff ällig, aber mit neun Jahren nicht mehr. Die Mutter konsultierte ab dem Jahr 2000 verschiedene Ärzte und wurde bei einer für Lena errechneten genetischen Zielgröße von 164 Zentimetern immer wieder vertröstet. 2002/2003 war Lena wegen einer anorektischen Essstörung zur Behandlung in einer Universitätsklinik, der Kleinwuchs wurde auf die Essprobleme geschoben, Blut für eine Chromosomenanalyse ging auf dem Weg zum Labor verloren, eine erneute Blutuntersuchung wurde „wegen fehlender Stigmata“ nicht für nötig erachtet, obwohl im Röntgenbild der Hand wegen kurzer Metacarpalia die Frage nach einem UTS in den Raum gestellt wurde. Im Juni 2004 kam es über Suche der Mutter im Internet zur Kontaktaufnahme zu einer anderen Universitätsklinik. Im Alter von 14,4 Jahren lag Lena mit einer Größe von 138 Zentimetern weit unter der 3. Perzentile, war 38 Kilogramm schwer, und die Pubertätsentwicklung entsprach Tanner B1, P2 – 3. Es fand sich ein Turner- Mosaik 45,X (22 %)/ 46,XX (78 %). Das Knochenalter wurde auf 13 Jahre bestimmt, die zu erwartende Endgröße von 143 Zentimetern errechnet und konstatiert, dass „nachdem Lena nahezu ihre zu erwartende Endgröße erreicht hat, keine weiteren therapeutischen Optionen bestehen.“
Mit dieser Auskunft kam Lena zu mir. Es gab Einzelfallberichte, nach denen bei UTS-Patientinnen durchaus noch Möglichkeiten einer Endlängenbeeinfl ussung durch Wachstumshormone im Jugendlichenalter bestehen. Es fand sich ein Endokrinologe, der sich auf das Experiment einließ. Im Dezember 2004 begann Lena im Alter von 14,10 Jahren bei einer Größe von 139,4 Zentimetern die Hormontherapie, die zwei Jahre fortgeführt wurde. Lena wuchs 14 Zentimeter und erreichte eine Größe von 1,53 Meter. Mit 15,9 Jahren hatte sie eine spontane Menarche und seitdem bisher regelmäßige ovulatorische Zyklen. Zurzeit wird die Kryokonservierung von Ovargewebe unter allen Vorbehalten der mit einer späteren Schwangerschaft verbundenen Risiken diskutiert. Lena hat gerade das Abitur mit einem guten Ergebnis bestanden und wird im Oktober ihr Studium für Lehramt an Gymnasien in den Fächern Musik und Englisch beginnen.
Lena – eine Erfolgsgeschichte, aus der wir lernen sollten.