Fachwissen
Kongressrückschau
8. gemeinsame Tagung der Europäischen (ESPE) und Nordamerikanischen (LWPES) Gesellschaft für Kinder- und Jugendendokrinologie in Zusammenarbeit mit den Kinder- und Jugendendokrinologischen Fachgesellschaften von Südamerika, Asien, Australien und Neuseeland
Ein Bericht von Dr. med. Esther M. Nitsche
aus korasion Nr. 4, November 2009
Die dreieinhalbtägige Veranstaltung deckte eine große Zahl von Gebieten ab. Dieser Bericht beschränkt sich auf eine Sitzung, deren Inhalt für den klinischen Alltag besonders relevant ist.
In der Arbeitsgruppensitzung Knochen/Wachstumsfuge/ Ullrich-Turner- Syndrom stellte J. Baron (Bethesda MD, USA) bisher unbestrittene Annahmen infrage: Er zeigte, dass nicht der Verschluss der Epiphysenfugen das Wachstum beendet, sondern umgekehrt eine Erschöpfung des Wachstumspotenzials im Sinne eines natürlichen Alterungsprozesses. Dieser wird durch Estrogene beschleunigt, aber nicht, wie allgemein bisher angenommen, verursacht. Ein weiterer überraschender Punkt von erheblicher Bedeutung ist die Existenz eines genetisch determinierten „Sollwerts“ für die maximale Knochenmasse. Ein unzureichender Aufbau von Knochenmasse, auch in der Kindheit – sei es durch Therapie oder Lifestyle – wird später bis zu diesem Punkt „X“ aufgeholt. Das Frakturrisiko sei zwar im Zeitraum der Verminderung der Knochenmasse erhöht, nicht aber langfristig höher als bei einer Vergleichspopulation.
S.C. Manolagas (Little Rock, AR; USA) hielt einen brillanten Vortrag über Alterung, ausgelöst durch oxidative Noxen, die Transkriptionsfaktoren der FoxO-Familie aktivieren, als gemeinsame Ursache von Osteoporose, Koronarveränderungen, Hyperlipidämie, Hypertonus, Typ-2-Diabetes und Symptomen des metabolischen Syndroms. Auch er räumte mit einer bisher gültigen Hypothese auf: Der Abbau von Knochenmasse beginnt nicht mit dem Nachlassen der gonadalen Funktion, sondern unabhängig vom Geschlecht bereits in der dritten Lebensdekade und verläuft bei Frauen ausgeprägter als bei Männern. Er wird durch Sexualsteroidmangel beschleunigt, aber nicht ausgelöst.
Frau G. Rappold (Heidelberg, Deutschland) gab ein Update zu SHOX-Gen- Mutationen. Zwei intakte Kopien des auf den Geschlechtschromosomen lokalisierten Gens sind für ein normales Wachstum erforderlich. Neben dem seltenen Leri-Weill-Syndrom weisen fünf bis 14 Prozent der Patienten mit idiopathischem Kleinwuchs (ISS, Idopathic Short Stature) eine SHOXGen- Mutation auf. Dies hat erhebliche Implikationen für den klinischen Alltag, da ISS eine häufige Diagnose bei Kleinwuchs ist und SHOX-Gen-Defekte eine zugelassene Indikation für die Behandlung mit Wachstumshormon darstellen. N.J. Shaw (Birmingham, UK) bestätigte, dass für den Kleinwuchs bei UTS die Haplosinsuffizienz des SHOXGens unabhängig vom Estrogenmangel verantwortlich ist. Ferner korrigierte er die allgemein geltende und in allen Lehrbüchern zu findende Ansicht, dass UTS eine Ursache für kindliche Osteoporose sei. Der Kalksalzgehalt der Knochen bei UTS-Mädchen ist normal für die Körperhöhe, auch ist die Frakturrate nicht erhöht. Junge UTSFrauen hingegen weisen eine erhöhte Frakturrate auf. Ein Zusammenhang mit dem Zeitpunkt des Substitutionsbeginns mit Estrogenen wird vermutet, bisher in Studien aber noch nicht nachgewiesen. Abstracts der Tagungsbeiträge sind erschienen in Hormone Research 72 (Suppl3) 2009 im Karger Verlag (ISSN 0301-0163).
Korrespondenzadresse:
Dr. med. Esther M. Nitsche
Kinderendokrinologie, -diabetologie und Neonatologie
Lindenstr.13
23558 Lübeck