Fachwissen

Sind sexuell übertragbare Erkrankungen im Kindesalter indikativ für sexuelle Ausbeutung?

Francesca Navratil

aus korasion Nr. 5, Dezember 2005

Die Diagnose einer sexuell übertragbaren Erkrankung im Kindesalter ist immer ernst zu nehmen, da sie – ohne Gegenbeweis – indikativ oder beweisend für eine sexuelle Ausbeutung sein kann. Die Beachtung einiger wichtiger Aspekte, sowohl in der Diagnostik als auch in der Beurteilung und Interpretation der Befunde, ist unumgänglich, weil die Folgen einer falschpositiven oder falschnegativen Diagnose schwerwiegende Konsequenzen haben können.

Es stellen sich verschiedene Fragen, deren Beantwortung Schwierigkeiten bereiten kann:

  • Hat das Kind eine sexuell übertragbare Erkrankung?
  • Wann soll nach einer sexuell übertragbaren Erkrankung gesucht werden?
  • Welche Erreger werden ausschließlich sexuell übertragen?
  • Gibt es eine nicht-sexuelle Übertragung sexuell übertragbarer Erreger?
  • Sind die verfügbaren Nachweismethoden spezifisch genug, um einen bestimmten, sexuell übertragbaren Erreger mit Sicherheit nachzuweisen?
  • Ist eine festgestellte, sexuell übertragbare Erkrankung Folge einer sexuellen Ausbeutungssituation?
  • Wie hoch ist das Risiko, eine sexuell übertragbare Erkrankung bei sexueller Ausbeutung zu übertragen?
  • Ist allein die Diagnose einer sexuell übertragbaren Erkrankung Erkrankung im Kindesalter – nach Ausschluss einer vertikalen, meistens perinatalen Übertragung – beweisend für sexuelle Ausbeutung?

Im Folgenden soll versucht werden, diese Fragen zu beantworten und die verschiedenen Aspekte, die sich stellen, zu diskutieren.

Epidemiologie sexuell übertragbarer Erkrankungen (STD) im Kindesalter

Tab.1: Sexuell übertragbare Erreger
Neisseria gonorrhoeae
Chlamydia trachomatis
Trichomonas vaginalis
Herpes-simplex-Virus (HSV)
Humanes Papilloma-Virus (HPV)
Treponema pallidum
Human Immunodeficiency
Virus (HIV)
Hepatitis-B-, Hepatitis-C-Virus
Gardnerella vaginalis
Mykoplasma, Ureaplasma urealyticum
Andere Organismen

In der Literatur liegen verschiedene Studien vor, in denen über das Risiko für STD von sexuell ausgebeuteten Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen berichtet wird. Diesen Studien nach muss stets berücksichtigt werden, dass bei Jugendlichen und Erwachsenen, die bereits sexuell aktiv waren, die Wahrscheinlichkeit einer früheren Infektion mit sexuell übertragbaren Organismen nicht zu vernachlässigen ist. Aus diesem Grund sind die Anamnese, der Zeitpunkt der Untersuchung und der Diagnosestellung einer STD von größter Wichtigkeit.

Die Gesamtprävalenz von STD bei Kindern wird in der Literatur mit 0 bis 13 % angegeben. In einer neueren Studie wird die Prävalenz sexuell übertragbarer Organismen bei sexuell ausgebeuteten Kindern mit 3,2% angegeben. In der Pubertät beträgt die Prävalenz 14,6 %.

Das Risiko von Kindern für eine Infektion ist von verschiedenen Faktoren abhängig:

  • Prävalenz und Inzidenz von STD in der betreffenden Population, auch unter Berücksichtigung geographischer Unterschiede;
  • Inkubationszeit und Infektiösität der Mikroorganismen;
  • Alter der Kinder (präpuberal, puberal) und deren Immunlage;
  • Art (oral, anogenital) und Anzahl der sexuellen Kontakte;
  • Wurde eine antibiotische Behandlung vor dem Kontakt durchgeführt?

Im Folgenden werden wichtige Aspekte bezüglich einiger häufiger gefundener Erreger im
präpuberalen Alter dargestellt.

Neisseria gonorrhoeae (Gonorrhoe):

Die Inkubationszeit beträgt bei diesem Erreger zwei bis sieben Tage. In der Präpubertät besteht als Leitsymptom einer Infektion nahezu immer eine Vaginitis mit purulentem Fluor. Eine anorektale und/oder tonsillopharyngeale Infektion ist ebenfalls möglich. Eine asymptomatische vaginale Gonorrhoe (Go) ist bei Kindern im präpuberalen Alter extrem selten.

Im Übrigen ist zu beachten:

  • Es gibt keine überzeugenden Studien bezüglich der Möglichkeit einer nicht-sexuellen Übertragung (sexuelle Spiele unter Kindern?? Fomiten??).
  • R. Siegel et al. untersuchten 855 Kinder im Alter zwischen 3 Wochen und 18 Jahren: 379 Mädchen wurden auf Go getestet; 3,1% waren positiv. Alle Mädchen hatten einen Fluor vaginalis.
  • Ingram et al. (1997) berichteten über Untersuchungenüber eine Zeitspanne von zehn Jahren. 2 908 Mädchen im Alter zwischen 1 und 12 Jahren wurden untersucht; bei 2731 (94%) wurden vaginale Go-Kulturen durchgeführt. 84 Mädchen (3,1%) waren positiv, 80 Mädchen hatten einen Fluor vaginalis. Vier Mädchen waren asymptomatisch, aber es wurden Penetration, Täter mit Go und Geschwister mit Go angegeben.

Da die Prävalenz der Go bei sexuell ausgebeuteten Kindern weniger als 3,5% beträgt, wurden in verschiedenen Studien und durch die American Association of Pediatrics (AAP, Commitee on Child Abuse and Neglect) selektive Kriterien zur Durchführung von Go-Kulturen vorgeschlagen (Tab. 2).

Tab. 2: Selektive Kriterien zur Durchführung von Go-Kulturen bei Kindern
Keine Routine-Vaginalkultur auf Go in der Präpubertät, da die Prävalenz niedrig (3,2%) ist;
Kultur, wenn ein Risiko oder eine sexuell übertragbare Erkrankung besteht bei: Opfer, Täter, Geschwistern, Familienmitgliedern im gleichen Haushalt;
Kultur, wenn Täter unbekannt;
Kultur bei positiver Anamnese, bei Symptomen (Fluor) oder bei Befunden bei der körperlichen Untersuchung, die mit einem oralen, genitalen oder analen Kontakt (Penetration) vereinbar sind.
Aber:
In der Pubertät ist die Suche nach sexuell übertragbaren Erkrankungen wegen der hohen Prävalenz asymptomatischer Infektionen stets indiziert.

Die Kultur (Pharynx, Anus/ Rektum, Vagina) ist der Goldstandard in der Diagnostik. Eine positive Kultur muss jedoch durch ein Referenzverfahren bestätigt werden. Gleichzeitig sollten andere sexuell übertragbare Organismen ausgeschlossen werden.

Die Verwechslung mit nicht-pathogenen Neisseria-Spezies aus Urogenitaltrakt und Pharynx sowie die Ergebnisse mit Nicht-Kultur-Untersuchungsmethoden können wegen falschpositiver Resultate ein Problem darstellen.

Therapie: Ceftriaxon i.m. Eine prophylaktische Behandlung wird in der Präpubertät nicht empfohlen. Eine Reevaluation sollte auf jeden Fall zwei Wochen nach der Erstuntersuchung stattfinden und je nach Anamnese und klinischem Befund das weitere Vorgehen bestimmt werden.

Chlamydia trachomatis:

Die Inkubationszeit beträgt bei diesem Erreger mindestens eine Woche. Chlamydia trachomatis verursacht meistens okulogenitale Infektionen.

In der Präpubertät können folgende Symptome auftreten: Urethritis, Vaginitis, aber auch asymptomatische Infektionen sind möglich.

Es besteht ein hohes vertikalesÜbertragungsrisiko (50%) – bei einer Prävalenz der Infektion in der Schwangerschaft zwischen 6 und 12%. Perinatal erworbene Infektionen können asymptomatisch bis zu mindestens drei Jahren persistieren.

Die Prävalenz bei sexuell ausgebeuteten Kindern wird mit <5% angegeben, wenn auch – je nach untersuchter Population – über Häufigkeiten zwischen 2 und 17% berichtet wird. Eine hohe Prävalenz findet sich bei sexuell aktiven Jugendlichen.

Der Goldstandard in der Diagnostik ist der Bakteriennachweis in der Gewebekultur (vaginal, anal). Da diese Methode in Europa nicht verfügbar ist, werden Polymerase-Kettenreaktion (PCR) und Ligase-Kettenreaktion (LCR) zum Nachweis von Chlamydia trachomatis angewandt.

Nicht mehr verwendet werden DFA-Test (direct fluorescent antibody), und enzymatische Immunoassays.

Bei einem positiven Ergebnis ist eine Bestätigung des Testresultates durch andere anerkannte Standardmethoden notwendig und die Suche nach weiteren sexuell übertragbaren Organismen indiziert.

Therapie: Bei Kindern mit einem Gewicht > 45kg im Alter von > 8 Jahren: Doxycyclin, Azithromycin; bei einem Gewicht <45kg im Alter von < 8 Jahren: Erythromycin, Azithromycin.

Human Immunodeficiency Virus (HIV):

Wie hoch das Risiko für eine HIV-Übertragung als Folge einer sexuellen Ausbeutung von Kindern ist, wird seit längerer Zeit untersucht. Das Risiko ist weitgehend noch unbekannt. Die Inzidenz einer HIV-Infektion bei sexueller Ausbeutung wird als gering eingeschätzt. Sie ist von verschiedenen Faktoren abhängig (Risikoverhalten, Täterprofil, Dauer und Häufigkeit der Exposition, Nachweis anderer sexuell übertragenen Erkrankungen).

Die Indikation zur Testung auf HI-Viren (Zeitpunkt 0 - 3 - 6 Monate) ist bei folgenden Kriterien gegeben:

  • Täter: HIV-positiv, i.v. Drogenabusus, homo-/bisexuell;
  • Opfer: andere STD nachgewiesen, anogenitale Penetration durch Fremdtäter festzustellen, mehrere Täter, hohe regionale HIV-Prävalenz;
  • Angst vor Ansteckung. Falls der Täter bekannt ist, muss man diesen auf HIV testen.

Wenn eine Postexpositionsprophylaxe (PEP) als indiziert erscheint, ist der sofortige Beginn wichtig, spätestens bis zu 72 Stunden nach der Exposition, da die Effektivität bei Beginn der PEP nach einer Stunde am höchsten ist. Eventuell ist mit der PEP sofort zu beginnen – mit der Maßgabe, dass bei negativer Tätertestung die Medikation sofort abgesetzt wird.

Die Richtlinien und Empfehlungen hinsichtlich Untersuchung, Beratung und Behandlung (Postexpositionsprophylaxe) von Opfern sexueller Ausbeutung werden regelmäßig neu angepasst (www.cdc.gov). In jedem Fall sollte die individuelle Betreuung in einem qualifizierten Infektiologiezentrum angestrebt werden.

Trichomonas vaginalis:

Die Inkubationszeit beträgt bei Trichomonas vaginalis mehr oder weniger eine Woche. Es gibt kaum fundierte Literatur zur Häufigkeit von Infektionen bzw. zum Infektionsrisiko bei Kindern im Zusammenhang mit sexueller Ausbeutung. Eine vertikale Übertragung bei der Geburt ist möglich. Das Hauptsymptom ist eine Vaginitis.

Zur Diagnose der Infektion wird der Nachweis im Nativpräparat (Beweglichkeit, Geißeln) empfohlen. Diagnostisch in Frage kommen ansonsten die Kultur und die Polymerase-Kettenreaktion (?). Falls Trichomonas vaginalis nachzuweisen ist, muss zudem nach anderen sexuellübertragbaren Organismen gesucht werden.

Therapie: Metronidazol.

Herpes-simplex-Virus (HSV):

In der Literatur werden als Folge von sexueller Ausbeutung bei Kindern Infektionen mit beiden Typen des HSV beschrieben. Allerdings ist die Autoinokulation durch orogenitalen Kontakt häufig (HSV-1, Gingivostomatitis zusammen mit genitalen Läsionen).

Humanes Papilloma-Virus (HPV):

Das Risiko für eine HPV-Infektion bzw. für Condylomata acuminata als Folge sexueller Ausbeutung bei Kindern ist nicht bekannt.

In einer Studie mit 40 Mädchen im Alter zwischen fünf und zwölf Jahren, die wegen Verdachts auf sexuelle Ausbeutung untersucht wurden, konnte bei 16% der ausgebeuteten Mädchen HPV-DNS nachgewiesen werden, hingegen bei 0% der nicht ausgebeuteten Mädchen.

Keines der infizierten Mädchen wies Warzen oder abnorme kolposkopische Befunde auf. Es wurde daher postuliert, dass HPV-Infektionen häufiger bei ausgebeuteten Mädchen festgestellt werden, sich bei diesen Infektionen jedoch keine entsprechenden klinischen Befunde ergeben.

Der Literatur nach werden Condylomata acuminata bei 1 bis 2% der sexuell ausgebeuteten Kinder gefunden, Kondylome werden aber auch bei vermeintlich nicht sexuell ausgebeuteten Kindern festgestellt: In einer neueren Studie aus Schweden konnte bei 161 nicht ausgebeuteten fünf- bis sechsjährigen Kindern in 1,2% der analen Proben und in 3,0% der genitalen Proben das HPV nachgewiesen werden (PCR); alle HPV waren vom Typ 6. Da diese Resultate mit denen von Studien mit ausgebeuteten Kindernübereinstimmen und eine hohe orale HPV-Prävalenz bei nicht ausgebeuteten gesunden Kindern nachgewiesen werden kann, wird postuliert, dass HPV kein zuverlässiger Indikator einer sexuellen Ausbeutung im Vorschulalter ist.

Eine HPV-Infektion kann auch perinatal erworben werden. Die Zahl an Studien bezüglich des Risikos einer solchen Übertragung ist sehr gering. Die Latenzzeit von der Infektion bis zur Entwicklung von klinisch manifesten Warzen ist nicht genau bekannt. Die meisten Warzen bei Kindern im Alter unter drei Jahren dürften perinatal erworben sein.

Hepatitis-B-Virus (HBV):

Die Inkubationszeit beträgt sechs Wochen bis sechs Monate. Es ist nicht bekannt, wie häufig HBVInfektionen nach sexuellenÜbergriffen auftreten. Bei nicht geimpften Opfern sexueller Ausbeutung muss sowohl eine aktive als auch eine passive Immunisierung durchgeführt werden.

Anaerobier (bakterielle Vaginose):

Es handelt sich bei der bakteriellen Vaginose vorwiegend um eine Störung des Scheidenmilieus infolge einer Zunahme der Anaerobier (Nachweis von Gardnerella vaginalis und Mycoplasma hominis) und einer Abnahme der Laktobakterien.

Der kulturelle Nachweis von Gardnerella vaginalis ist nicht der einzige Parameter für den Nachweis einer bakteriellen Vaginose und kein geeigneter „Marker“ sexueller Aktivität, obwohl dieser Anaerobier bei sexuell aktiven Frauen häufiger gefunden wird: Gardnerella vaginalis wurde in Vaginalkulturen bei 7 bis 34% der sexuell aktiven Frauen isoliert – und in 1 bis 32% bei nicht sexuell aktiven Frauen.

Die Zahl an Studien zur Prävalenz einer bakteriellen Vaginose bei Kindern mit Fluor vaginalis (mit oder ohne Verdacht auf sexuelle Ausbeutung) ist gering: In einer Studie wurden bei 13% der sexuell ausgebeuteten bzw. der sexuell aktiven jungen Mädchen clue cells im Vaginalinhalt festgestellt und ein positiver Amintest gefunden, bei nicht ausgebeuteten bzw. nicht sexuell aktiven jungen Mädchen in 0%.

Der Nachweis einer bakteriellen Vaginose oder von Gardnerella vaginalis sollte somit im Hinblick auf eine sexuelle Ausbeutungssituation nicht überbewertet werden.

Therapie: Metronidazol, Clindamycin.

Wann soll in der Präpubertät nach sexuell übertragenen Erregern gesucht werden?

Ein routinemäßiges „Screening“ auf sexuell übertragbare Erkrankungen (STD) ist in der Präpubertät nicht angezeigt.

Entsprechende Untersuchungen kommen jedoch bei folgenden Konstellationen in Frage:

  • Sexuelle Ausbeutungssituation mit sexuellem Kontakt (Penetration) in der Anamnese;
  • Fluor vaginalis, anale Absonderungen in der Anamnese;
  • Ängste des Opfers bzw. der Eltern, auch bei fehlenden körperlichen Befunden bzw. bei unsicherer Anamnese;
  • Fluor vaginalis bzw. anogenitale Befunde bei der körperlichen Untersuchung, die verdächtig auf STD oder vereinbar mit stattgefundenem sexuellen Kontakt (Penetration) sind;
  • Unbekannter Täter;
  • Bekannte STD beim Täter;
  • Risikosituationen (Opfer, Täter);
  • Spezifische Läsionen, bereits diagnostizierte STD.

Wie sind sexuell übertragbare Erkrankungen im Hinblick auf eine sexuelle Ausbeutung zu beurteilen?

Tab. 3:
Implikationen bei nachgewiesener STD für die Diagnose einer sexuellen Ausbeutung von Kindern (nach American Academy of Pediatrics [AAP, Commitee on Child Abuse and Neglect], 1999)
STD SEX. AUSBEUTUNG KONSEQUENZEN
Gonorrhoe (Go)* Diagnose beweisend+ Melden, Kinderschutz sichern (KS)
Syphilis* Diagnostisch hinweisend Melden, Kinderschutz sichern (KS)
HIV-Infektion** Diagnostisch hinweisend Melden, Kinderschutz sichern (KS)
Chlamydia trachomatis* Stark verdächtig auf STD + STD-Diagnostik,
Trichomonas vaginalis* Stark verdächtig auf STD STD-Diagnostik,
Herpes genitalis (HSV-2) Stark verdächtig auf STD STD-Diagnostik,
Condylomata acuminata* STD möglich Diagnostik, Anamnese, KS
HSV-1, genitale Lokalisation*** STD möglich Diagnostik, Anamnese, KS
Bakterielle Vaginose Unsicher Kontrolle, Anamnese
* Wenn die Infektion nicht perinatal erworben ist;
** Wenn die Infektion nicht perinatal oder durch Transfusion übertragen wurde;
*** Falls eine Autoinokulation unwahrscheinlich ist (keine Gingivostomatitis);
+ Bestätigung der Diagnose durch Referenzmethode angezeigt.
HIV, Syphilis: Serologie + Kontrollen
Condylomata acuminata: Eventuell Biopsie in Narkose zur Typisierung
HSV: direkter Nachweis aus Läsionen

Bei folgenden unspezifischen Befunden bei der körperlichen Untersuchung bzw. bei folgenden Verhaltensauffälligkeiten ist eine sexuelle Ausbeutung nicht auszuschließen (nach J.A. Adams, 2001):

  • Nachweis von Herpes simplex (HSV-1) aus Genitalläsionen (keine Missbrauchsanamnese, normaler Genitoanalbefund, keine Gingivostomatitis herpetica);
  • Condylomata acuminata im anogenitalen Bereich, ansonsten normaler Anogenitalbefund, keine weiteren STD, keine Aussagen, keine Verhaltensauffälligkeiten);
  • Entsprechende Aussage eines Kleinkindes (nicht detailliert, nicht wiederholt, passend zum Alter) oder entsprechende Antwort eines Kleinkindes auf Suggestivfragen.

Eine sexuelle Ausbeutung ist hingegen bei folgenden Konstellationen wahrscheinlich (stark verdächtige Situationen nach J.A. Adams, 2001):

  • Diesbezüglich detaillierte, wiederholte Angaben des Opfers, entsprechende Angaben mehrerer Opfer mit oder ohne körperliche Befunde;
  • Vorliegen von körperlichen Befunden, die für sexuelle Ausbeutung spezifisch sind (Anogenitalbefunde ohne passende „Unfallanamnese“);
  • Positive Chlamydienkultur, positiver Nachweis von Chlamydien in der PCR, LCR bei Ausschluss einer perinatalenÜbertragung;
  • Nachweis von Herpes simplex genitalis (HSV-2);
  • Nachweis von Trichomoniasis vaginalis (bei Ausschluss einer perinatalen Übertragung).

Als eindeutig bewiesen anzusehen ist nach J.A. Adams (2001) eine sexuelle Ausbeutung bei folgenden „Tatbeständen“:

  • Geständnis des Täters, Berichte von Augenzeugen;
  • Vorliegen von Anogenitalbefunden, die nur durch sexuelle Ausbeutung erklärbar sind;
  • Nachweis von Sperma bzw. Spermaflüssigkeit;
  • Nachweis einer Schwangerschaft (erzwungene Penetration);
  • Vorliegen einer Fotodokumentation (Video eines Übergriffs);
  • Positive Kulturen auf Go aus Vagina, Anus, Pharynx;
  • Nachweis einer nicht perinatal erworbenen Lues (serologischer Nachweis);
  • Nachweis einer HIV-Infektion, die nicht perinatal bzw. nicht durch Transfusion übertragen wurde.

Schlussfolgerungen

Der Nachweis von STD bei Kindern ist hinweisend auf oder beweisend für eine sexuelle Ausbeutung.

Wichtig ist zu beachten, dass eine genaue Anamnese und der richtige Zeitpunkt der Untersuchung sowie die korrekte Untersuchungsmethode für die Diagnosestellung und die Beurteilung entscheidend sind. Besteht der Verdacht auf sexuelle Ausbeutung, muss bei multidisziplinärem Vorgehen stets das Hauptziel angestrebt werden, das Opfer zu schützen und Re-Traumatisierungen zu vermeiden, die auch dann nicht auszuschließen sind, wenn die STD-Diagnostik nicht korrekt durchgeführt wird bzw. die Befunde fehlinterpretiert werden.

(Literatur auf Anfrage.)

Verfasserin:

Dr. med. Francesca Navratil
Poliklinik für Kinder- und Jugendgynäkologie
Universitäts-Kinderklinik
CH-8032 Zürich
E-Mail: navratil@noSpam.bluewin.ch