Fachwissen
Impfung gegen Gebärmutterhalskrebs:
Die Immunisierung sollte vor dem ersten Sexualkontakt erfolgen
aus korasion Nr. 4, November 2005
Mit dem neuen tetravalenten Impfstoff gegen HPV-Infektionen wird demnächst erstmals eine prophylaktisch wirksame Vakzine gegen einen Tumor zur Verfügung stehen. Neue Daten aus Phase-III-Studien zeigen, dass die Impfung einen 100%-igen Schutz vor HPV-16- und -18-assoziierten Frühformen des Zervixkarzinoms gewährleistet.
Humane Papillomaviren (HPV) sind kleine unbehüllte DNS-Viren, die weltweit verbreitet sind. Sie können bei Menschen Warzen und Papillome sowie maligne Tumoren hervorrufen. Insbesondere in der Gynäkologie sind die HPV zu einem zentralen Thema der Krebsforschung geworden, ist doch das weltweit zweithäufigste gynäkologische Tumorleiden – das Zervixkarzinom – zu nahezu 100% HPV-assoziiert.
Das Zervixkarzinom ist eine Infektionskrankheit, deren Erreger (HPV) streng humanspezifisch sind. Daher ist durch ein prophylaktisches Impfprogramm langfristig sogar die Eliminierung des Zervixkarzinoms ein grundsätzlich erreichbares Ziel.
Hohe Zervixkarzinom-Inzidenz
Jährlich erkranken weltweit etwa 500000 Frauen an einem Zervixkarzinom, wobei die Inzidenz in weniger entwickelten Ländern aufgrund fehlender Screeningprogramme besonders hoch ist. Doch auch in Europa werden jährlich über 33000 neue Fälle von Gebärmutterhalskrebs diagnostiziert. Im Jahre 2002 starben in Europa 14638 Frauen an einem Zervixkarzinom. Dies bedeutet, dass in Europa täglich 40 Frauen an einem Gebärmutterhalskrebs versterben.
Obwohl in sämtlichen Mitgliedsstaaten der EU Screeningprogramme mittels Pap.-Test implementiert wurden, ist die Zahl an Neuerkrankungen hoch geblieben. So erkranken in Finnland immer noch 3,6 von 100000 Frauen pro Jahr an einem Zervixkarzinom, und das, obwohl 93% der Frauen zwischen dem 30. und 60. Lebensjahr durch das Screening erfasst werden. 1,2 von 100000 finnischen Frauen versterben an einem Gebärmutterhalskrebs.
In Deutschland – bei einer Screeningrate von nur 50% – liegt die Inzidenz bei 10,1 und die Zervixkarzinom-Mortalität bei 2,6 je 100000 Frauen pro Jahr. In Österreich liegt die Screeningrate ebenfalls nur bei ca. 50%, in der Schweiz bei 48%.
Infektion durch direkten Kontakt
Epidemiologische Studien haben gezeigt, dass ca. 70% der Zervixkarzinome von zwei HPV-Typen – Typ 16 und 18 – verursacht werden. Die zweite HPV-assoziierte Erkrankungsgruppe sind Kondylome. Diesbezüglich sind es vor allem Infektionen mit den HPV-Typen 6 und 11, die zu 90% für die Entstehung von Kondylomen verantwortlich sind.
Laut epidemiologischen Schätzungen in den USA sind Kondylome bei etwa 1% der Bevölkerung nachweisbar. Die Behandlung ist langwierig und schmerzhaft. Ganz abgesehen davon bleiben die Genitalwarzen über lange Zeit infektiös, rezidivieren häufig und können Ursache für erhebliche Verunsicherungen und psychische Belastungen der Betroffenen sein.
Die Übertragung der HPV erfolgt in der Regel durch direkten Haut- oder Schleimhautkontakt, oft beim Geschlechtsverkehr. Im Gegensatz zu anderen sexuell übertragbaren Krankheiten werden die Viren jedoch nicht durch Körperflüssigkeiten übertragen, und es lassen sich auch keine speziellen Risikogruppen ausmachen. Die Anwendung von Kondomen kann zwar das Infektionsrisiko vermindern, bietet jedoch keinen sicheren Schutz vor einer Ansteckung mit HPV.
Die Übertragung der HPV-Infektion von der Mutter auf das Neugeborene bei der Geburt kann zu genitoanalen Warzen sowie auch zu Larynxpapillomen beim Kind führen.
Maligne und benigne Läsionen
70% der sexuell aktiven Frauen infizieren sich zumindest einmal während ihres Lebens mit HPV. Der Häufigkeitsgipfel für nachweisbare HPV-Infektionen im Bereich der Cervix uteri liegt zwischen dem 20. und 25. Lebensjahr. In 60 bis 90% der Fälle ist die Infektion nach einem Jahr nicht mehr nachweisbar. Bei den verbleibenden 20% der Fälle mit persistierender Infektion können sich im Laufe der Jahre jedoch Dysplasien, d.h. zervikale intraepitheliale Neoplasien (CIN) ausbilden, die sich bei („Highrisk“-)Infektionen mit den onkogenen HPV-Typen 16, 18 und 31 innerhalb von durchschnittlich 15 Jahren zu Zervixkarzinomen entwickeln können (Abb. 1).
Nach erfolgter Infektion mit den HPV kann es also einerseits zum Abklingen der Infektion innerhalb eines Jahres, zum Persistieren der Infektion oder zur Entwicklung einer geringgradigen Epithelveränderung – einer CIN-1-Läsion – kommen. CIN-1-Läsionen (geringgradige Dysplasien) sind die häufigsten klinischen Manifestationen einer zervikalen HPV-Infektion und weisen eine hohe Remissionsrate auf. Etwa 60% dieser geringgradigen Dysplasien bilden sich ohne therapeutische Intervention wieder zurück, 10% können sich jedoch zu CIN-2- und -3-Läsionen entwickeln.
Obwohl sich auch CIN-2-Läsionen (mäßiggradige Dysplasien) spontan wieder zurückbilden können, haben die betroffenen Frauen jedoch ein erhebliches Risiko, bei weiterer Progression an einem Zervixkarzinom zu erkranken.
Schätzungen zufolge entwickeln sich ohne Behandlung 22% der CIN-2-Läsionen zu CIN-3-Läsionen. Unter CIN 3 sind präkanzeröse Läsionen sowie Carcinomata in situ subsumiert, die als unmittelbare Vorstufen zum invasiven Zervixkarzinom gelten. Zervixkarzinome entstehen demnach nur bei Vorliegen einer HPV-Infektion.
Feigwarzen (Condylomata acuminata) sind die häufigsten benignen Tumoren des äußeren Genitale. Sie werden vorwiegend durch die HPV-Typen 6 und 11 hervorgerufen und können über Monate und Jahre persistieren. Die wichtigste Komplikation bei genitoanalen HPV-Infektionen ist die maligne Entartung bzw. die Begünstigung der Karzinogenese von Genitaltumoren.
Impfung zu 100% wirksam
Wenn auch durch Screeningmaßnahmen das Risiko, an einem Gebärmutterhalskrebs zu erkranken, deutlich reduziert werden kann, können HPV-Infektionen und die daraus entstehenden präkanzerösen Läsionen nicht verhindert werden. Der derzeit in klinischer Erprobung (Phase III) befindliche tetravalente Impfstoff GardasilTM von Sanofi Pasteur MSD/Merck & Co. bietet hingegen Schutz vor Infektionen mit den HPV-Typen 6 und 11 sowie 16 und 18. Das heißt: Dieser Impfstoff schützt nicht nur vor Gebärmutterhalskrebs und dessen Vorläufer-Läsionen, sondern verhindert auch die Entstehung von Kondylomen. Die Ergebnisse der ersten großen Studie zur HPV-Impfung wurden im Jahre 2002 im New England Journal of Medicine veröffentlicht.
In dieser doppelblinden, Plazebo-kontrollierten, randomisierten Studie sollte an knapp 2400 Frauen überprüft werden, ob das Prinzip der HPVImpfung effektiv und sicher ist. Die Studie wurde mit einem monovalenten Impfstoff gegen den HPV-Typ 16 durchgeführt. Primärer Endpunkt war die Frage, ob persistierende HPV-16-Infektionen verhindert werden können. Die Auswertung der Daten nach einer medianen Beobachtungsdauer von 17,4 Monaten ergab, dass in der Verumgruppe keine persistierende HPV-16-Infektion aufgetreten war, wohingegen in der Kontrollgruppe die Inzidenz bei 3,8% (41 Fälle) lag. Bei neun Probandinnen unter Plazebo entwickelte sich in der Beobachtungszeit eine HPV-16-assoziierte zervikale intraepitheliale Neoplasie. Dieses Studienresultat bedeutet, dass der Impfstoff zu 100% wirksam ist (Tab. 1).
Neueste Daten aus einer Phase-III-Studie zur Wirksamkeit des tetravalenten Impfstoffes GardasilTM wurden anlässlich der Jahrestagung der Amerikanischen Gesellschaft für Infektionskrankheiten (Infectious Disease Society of America, IDSA) am 06.10.2005 präsentiert. Bei dieser FUTUREII-Studie (Females United To Unilaterally Reduce Endo/ecto Cervical Disease) handelt es sich um eine prospektive, randomisierte, doppelblinde und Plazebokontrollierte Studie, in der Frauen im Alter zwischen 16 und 26 Jahren nach einem Dreidosen-Schema jeweils einer Impfstoff- oder einer Plazebogruppe zugeordnet wurden. Die Frauen erhielten am Tag eins sowie nach zwei und sechs Monaten entweder den Impfstoff GardasilTM oder ein Plazebo injiziert. Insgesamt wurden 12167 Frauen aus 90 Studienzentren zu etwa gleichen Teilen einer der beiden Gruppen zugewiesen, d.h. 6082 Frauen erhielten GardasilTM und 6075 Plazebo. Bewertet wurde das Auftreten HPV-16/18-assoziierter Präkanzerosen (CIN 2/3) sowie nicht-invasiver Frühformen des Zervixkarzinoms (AIS, Adenocarcinomata in situ).
In einer ersten Analyse wurde das Auftreten von CIN 2/3 und AIS bei Frauen untersucht, die drei Dosen des Verum erhalten hatten und keine wesentlichen Abweichungen vom Studienprotokoll zeigten. Die Untersuchung startete 30 Tage nach Abschluss der Impfserie und umfasste einen Nachbeobachtungszeitraum von durchschnittlich 17 Monaten nach Ende der Impfserie. In der GardasilTM-Impfstoffgruppe (n = 5 301) wurden keine Fälle von HPV-16- und -18-assoziierten CIN 2/3 oder AIS beobachtet. Im Vergleich dazu traten in der Plazebogruppe (n = 5258) 21 Fälle auf (p < 0,001). „Das sind die ersten entscheidenden Daten, die bestätigen, dass eine Impfung mit GardasilTM HPV-
16- und -18-assoziierte Präkanzerosen sowie Krebs im Frühstadium reduziert“, so Laura Koutsky, Ph. D., Studienleiterin der HPV-Forschungsgruppe an der Universität von Washington in Seattle.
Impfungen gut verträglich
In einer zweiten Analyse wurde das Auftreten von CIN 2/3 und AIS in einer nicht so eng gefassten Gruppe von Frauen untersucht. Die Untersuchung begann 30 Tage nach Gabe der ersten Impfstoffdosis bzw. 30 Tage nach der ersten Plazebogabe und schloss sowohl alle Frauen der ersten Untersuchungsgruppen als auch Frauen ein, die sich möglicherweise noch während der Impfserie mit HPV 16 oder 18 infiziert oder das Studienprotokoll wesentlich verletzt hatten (z.B. indem sie wichtige Nachuntersuchungen verpassten).
Im Schnitt wurden diese Frauen über einen Zeitraum von zwei Jahren nachbeobachtet. Bei diesen Frauen reduzierte GardasilTM das Risiko, HPV-16- und -18-assoziierte, hochgradige Präkanzerosen oder Krebs im Frühstadium (CIN 2/CIN 3 oder AIS) zu entwickeln, um 97%. Verglichen mit der Plazebogruppe (n = 5766), die 36 Fälle aufwies, wurde in der Impfstoffgruppe (n = 5736) nur ein Fall beobachtet.
Es gab keine Therapieabbrüche aufgrund schwerwiegender, Impfstoff-bedingter Nebenwirkungen. Unerwünschte Ereignisse traten jedoch in der Impfstoffgruppe häufiger auf als in der Plazebogruppe, wobei es sich vorwiegend um Beschwerden nach den Injektionen an der Einstichstelle handelte.
Wann sollte geimpft werden?
Die Immunisierung gegen HPV sollte erfolgen, bevor der erste Sexualkontakt stattgefunden hat. Je nach Land und soziokulturellem Umfeld sind in Europa zwischen 15 und 40% der 15-jährigen Mädchen bereits sexuell aktiv. In einigen Ländern ist das Alter, in dem Mädchen ihren ersten Sexualkontakt haben, in den letzten 20 bis 30 Jahren sogar deutlich gesunken (Abb. 2). Entsprechend diesen Daten kann eine optimale Immunisierungsrate erzielt werden, wenn die Mädchen zwischen dem neunten und zwölften Lebensjahr geimpft werden.
In einer Studie konnte gezeigt werden, dass der Impfstoff gerade bei Jugendlichen eine höhere Immunantwort induziert als bei erwachsenen jungen Frauen. Die Ergebnisse dieser Studie zeigen zudem, dass der bei Jugendlichen erzeugte Schutz mindestens bis zu dem Alter anhält, in dem sie mit den HPV in Kontakt kommen. Prinzipiell ist zu erwarten, dass Frauen aller Altersstufen von der Impfung profitieren, sofern sie nicht zuvor eine natürliche Infektion mit den im Impfstoff enthaltenen HPV-Subtypen durchgemacht haben.
Redaktion:
Dr. med. H.U. Feldmann
Essen