fachwissen

Gonokokken-Infektionen:

Wenn Mädchen betroffen sind

Isolde Wachter

aus korasion Nr. 4, November 2002

Die Gonorrhoe gehört in die Gruppe der Sexual Transmitted Diseases (STD) und ist aus kinder- und jugendgynäkologischer bzw. pädiatrischer Sicht fast nur in der Neugeborenenperiode und bei sexuell aktiven Jugendlichen anzutreffen. Sie wird durch Neisseria gonorrhoeae verursacht. Dieser gramnegative Diplokokkus wächst auf Spezialnährböden unter CO2-angereicherten Bedingungen, ist Oxidase-positiv und vergärt charakteristischerweise nur Dextrose.

Epidemiologie

Die Gonorrhoe ist eine seltene Erkrankung geworden. Die Gesamtprävalenz liegt derzeit unter 0,1 % (Ausnahmen: Risikokollektive, z.B. drogenabhängige Jugendliche, Prostituierte). Jenseits der Kohabitarche, also bei sexuell aktiven Jugendlichen und Erwachsenen tritt die Gonokokken-Infektion überwiegend als genitale Erkrankung, in der Neugeborenenperiode mit dem Bild der Gonoblennorrhoe (eitrige Bindehautentzündung) auf. Die Erkrankung ist meldepflichtig.

Klinik

Bei der Gonokokken-Infektion ist die Symptomatik sehr oft untypisch oder wenig auffällig. Gelegentlich ist die Gonorrhoe mit einer Chlamydien-Infektion kombiniert. Bei Jugendlichen bzw. bei erwachsenen Frauen sind am häufigsten folgende Organe befallen:

  • die Zervix (Zervizitis),
  • die Urethra (Urethritis),
  • das Rektum,
  • die Bartholinischen Drüsen und
  • der Nasopharynx.

Septikämien wurden bei untergewichtigen Neugeborenen beobachtet. Gonorrhoe-Leitsymptome sind zervikaler und/oder urethraler Fluor sowie Dysurie. Eine Endometritis/Salpingitis (Pelvic Infectious Disease, PID) kommt nur nach Aszension des Erregers zustande. Diese wiederum ist erst möglich, wenn nach Eintreten der Pubertät durch den Einfluss der Ovarialhormone der Zervikalkanal zu klaffen beginnt und das Endometrium proliferiert. Bei kleinen Mädchen, d.h. in der hormonellen Ruheperiode ist Neisseria gonorrhoeae äußert selten (zwei Fälle in 20 Jahren in meiner kindergynäkologischen Sprechstunde) im eitrig-blutigen, vaginalen Fluor nachgewiesen worden. Eine Aszension der Erreger in die höher gelegenen Abschnitte des inneren Genitale ist nicht zu befürchten, da der Erreger in der hormonellen Ruheperiode den fest verschlossenen Zervikalkanal nicht passieren kann. Die Akquisition in den beiden beobachteten Fällen war wahrscheinlich durch eine Schmierinfektion erfolgt. Denn in beiden Fällen war ein Elternteil an Gonorrhoe erkrankt.

Diagnostik

Es ist zu beachten, dass Neisseria gonorrhoeae gegenüber Abkühlung und Austrocknung sehr empfindlich ist. Wenn möglich, empfiehlt sich daher die telefonische Absprache mit dem mikrobiologischen Labor. Denn die Diagnostik erfolgt durch Anzüchten der Erreger auf vorgewärmten, speziellen Nährböden, und zum Versand sind spezielle Transportmedien notwendig. Die Abimpfung erfolgt mit Material aus der Zervix bzw. der Urethra, gegebenenfalls auch aus Menstrualblut. Wegen zunehmender Ausbildung von Resistenzen (Plasmid-gebundene Resistenz gegenüber Penizillin, chromosomale Resistenzen gegenüber anderen Antibiotika) muss bei jeder nachgewiesenen Infektion auch eine Resistenzprüfung durchgeführt werden. Die serologische Untersuchung ist unsicher und nur bei disseminierter Erkrankung sinnvoll. Die DNS-Amplifikation (Polymerase-Kettenreaktion, PCR) ist die sensitivste Nachweismethode, sie ist aber allgemein noch nicht etabliert.

Therapie

Die Therapie bei unkomplizierten Gonokokken-Infektionen ist bei der Jugendlichen genauso wie im Erwachsenenalter durchzuführen. Mittel der ersten Wahl sind ß-Laktamase-stabile Cephalosporine (z.B. Ceftriaxon) oder Gyrasehemmer. Die einmalige Applikation ist ausreichend.

Die empfohlenen Therapeutika (Antibiotika)sind:

  • Ceftriaxon, 0,25 g (einmalig), oder:
  • Spectinomycin, 2 g (einmalig), alternativ:
  • Cipro. oxacin, 400 mg (einmalig).

Es ist zu beachten, dass bei Anwendung von Spectinomycin (1 x 2 g) in 10 % der Fälle mit unzureichenden Behandlungsergebnissen zu rechnen ist. Die parenterale Applikation des Antibiotikums ist im Hinblick auf die bessere Kontrolle der (auch tatsächlich erfolgten) Anwendung durch den Arzt gegenüber anderen Formen der Applikation vorzuziehen. Eine Erfolgskontrolle ist gesetzlich vorgeschrieben und sollte ein bis zwei Wochen nach Therapieende erfolgen. Die Partnerbehandlung ist obligat. Zusätzlich ist eine Lues-Suchreaktion durchzuführen. Die Therapie bei disseminierten Gonokokken-Infektionen erfolgt beim Erwachsenen nach den Leitlinien der STD-Gesellschaft mit folgenden Antibiotika:

  • Ceftriaxon, 1 bis 2 g, einmal täglich über sieben Tage;
  • Ceftriaxon, 1 bis 2 g, zweimal täglich über sieben Tage bei Meningitis oder Endokarditis;
  • alternativ (bei Ceftriaxon-Allergie): Cipro. oxacin, 500 mg i.v., zweimal täglich über sieben Tage;
  • oder: Ofloxacin, 400 mg i.v., zweimal täglich über sieben Tage.

Diese Therapieempfehlung gilt auch für die disseminiert erkrankte Jugendliche. Bei Vulvovaginitis gonorrhoica ist ebenfalls parenteral mit ß-Lactamase-stabilen Cephalosporinen (z.B. mit Ceftriaxon in Form einer einmaligen Gabe) oder mit Spectinomycin (1 x 1 g) zu behandeln. Mit Feststellung einer Infektion muss zudem eine Umgebungsuntersuchung auf Gonorrhoe durchgeführt werden. Dieser Untersuchung müssen sich auch alle Familienmitglieder (männlich wie weiblich) unterziehen.

Credé’sche Prophylaxe

Die Credé’sche Augenprophylaxe bei Neugeborenen ist seit 1986 in Deutschland nicht mehr gesetzlich geregelt. Nach Auffassung der Arbeitsgemeinschaft für Infektionen und Infektionsimmunologie in der Gynäkologie und Geburtshilfe (AGII) sowie auch der Deutschen STD-Gesellschaft stellt die Applikation der 1 %igen Silbernitratlösung nach wie vor den Standard of care dar. Weltweit ist kein einziger Fall einer bleibenden Nebenwirkung nach sachgerechter Anwendung bekannt geworden. Mögliche, vorübergehende Reizungen der Konjunktiven der Kinder stehen in keinem Verhältnis zur später eintretenden desolaten Erkrankung: Die Neugeborenenkonjunktivitis kann zur Erblindung führen. Es empfiehlt sich, die Mütter darüber zu informieren und das Ergebnis der Aufklärung schriftlich zu dokumentieren. PVP-Jod oder Antibiotika stellen entgegen anders lautender Berichte keine sinnvolle Alternative dar.

Literatur:

Dennemark, N., H.W. Eibach, K. Friese, G. Horbach, U.B. Hoyme, J. Martius, W. Mendling, G. Neumann, E.E Petersen, A. Schäfer, H. Spitzbart, I. Wachter, E.R. Weissenbacher:
Infektiologie: Empfehlung zur Diagnostik und Therapie zervikaler Infektionen in Gynäkologie und Geburtshilfe.
Medifakt Verlag, München (1999);

Heise, H.: Gonorrhoe. In: Diagnostik und Therapie sexuell übertragbarer Krankheiten. Leitlinien 2001 der Deutschen STD-Gesellschaft (Hrsg.: D. Petzoldt und G. Gross), Kapitel 6; S. 31-38, Springer-Verlag (2001).

Verfasserin:

Prof. Dr. med. Isolde Wachter
Universitätsklinikum Carl Gustav Carus
Klinik und Poliklinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe
Fetscherstraße 74
01307 Dresden
Tel.: 0351 4582806
Fax: 0351 4584329