Fachwissen

Daten und Fakten zur Jugendsexualität

Teenager und schwanger?

Cosima Brucker

aus korasion Nr. 3, Oktober 2001

Berichterstatterin: Christiane Schaefer

Nach Angaben des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte werden in Deutschland jährlich mindestens 10 000 Mädchen im Alter unter 18 Jahren schwanger. Die vom Statistischen Bundesamt veröffentlichte Statistik der Schwangerschaftsabbrüche weist für das Jahr 2000 eine Gesamtzahl von 6 327 Schwangerschaftsabbrüchen bei minderjährigen Mädchen aus. Dies berichtete Prof. Dr. med. Cosima Brucker anlässlich einer Informationsveranstaltung der Grünenthal GmbH am 27.06.2001 in München.

Verändertes Verhütungsverhalten

Die veränderten gesellschaftlichen und sozialen Strukturen sowie der freizügige Umgang mit dem Thema „Sexualität“ in den Medien haben bei den Jugendlichen dazu beigetragen, dass erste sexuelle Kontakte immer früher aufgenommen werden. Folgerichtig hat sich auch das Verhütungsverhalten von Teenagern in Deutschland in den letzten Dekaden erheblich verändert.

Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BzgA) hat die Einstellungen und Verhaltensweisen Jugendlicher in Bezug auf Sexualität und Verhütung untersucht und einen Trendvergleich für die Jahre 1980 und 1998 veröffentlicht: Heute sind 38 % der 14- bis 16jährigen Mädchen und 29 % der Jungen koituserfahren; das Alter beim ersten Geschlechtsverkehr ist gesunken. Es gibt jedoch eine konstant große Gruppe, die mit 17 Jahren noch keinen Geschlechtsverkehr hatte. Bei den Mädchen beträgt dieser Anteil etwa ein Drittel, bei den Jungen sind es 46 %.

Kondome sind beim „ersten Mal“ das bevorzugte Verhütungsmittel. 68 % der Mädchen und 55 % der Jungen gaben an, dass bei ihrem ersten Geschlechtsverkehr auf diese Weise verhütet wurde. Je 16 % der Jungen und Mädchen haben sich beim „ersten Mal“ allein auf die Pille verlassen. Chemische und andere Verhütungsmittel spielen eine untergeordnete Rolle. Aber: 16 % der Jungen sowie 11 % der Mädchen trafen beim ersten Geschlechtsverkehr mit ihrer Partnerin bzw. ihrem Partner keine Vorkehrungen zur Empfängnisverhütung. Das sind zwar deutlich weniger als zu Beginn der 80er Jahre, als 29 % der Mädchen und 20 % der Jungen den ersten Verkehr ungeschützt erlebten. Leider ist aber keine weitere Abnahme der Zahlen zu erwarten; der Trend zur größeren Spontaneität steht dagegen.

Mit zunehmender Erfahrung verlagert sich die Verhütung vom Kondom zur Pille; auch ist eine Tendenz zur Kombination von Pille und Kondom zu beobachten: Für ihren letzten Geschlechtsverkehr gaben 40 % der Mädchen und 52 % der Jungen an, dass mit Kondomen verhütet wurde. 73 % der Mädchen sowie 75 % der Jungen sagten aus, dass ihr letzter Geschlechtsverkehr durch die Pille abgesichert war. Nur noch 1 % der Mädchen bzw. 3 % der Jungen unterließen empfängnisverhütende Maßnahmen.

Die Vertrautheit mit dem Sexualpartner ist für das Verhütungsverhalten von großer Bedeutung: Die Zahlen für ungeschützten Geschlechtsverkehr schnellen in die Höhe, je weniger die Jungen und Mädchen ihren Partner kennen.

Aufklärung und Beratung

C. Brucker berichtete, dass die Eltern mehr und mehr die Aufklärung hinsichtlich des kontrazeptiven Verhaltens der Jugendlichen übernehmen: Seit 1980 habe sich die intrafamiliäre Beratung verdoppelt, der Sexualkundeunterricht sei die zweithäufigste Quelle sexueller Kenntnisse. Dennoch fehle es an Wissen über grundlegende biologische Tatsachen. So gaben unter Jugendlichen mit sexueller Erfahrung und unter allen 17jährigen nur jeder zweite Junge und drei von vier Mädchen an, den Zeitpunkt der Empfängnis genau zu kennen. Bei Nachfrage stellte sich aber heraus, dass etwa ein Drittel der Mädchen und Jungen, die den richtigen Zeitpunkt zu kennen meinten, mit ihrer Antwort falsch lagen.

Wenn sich junge Mädchen in der gynäkologischen Sprechstunde vorstellen, ist daher eine gründliche Verhütungsberatung von besonderer Wichtigkeit. Individuelle Bedürfnisse und Merkmale sollten berücksichtigt werden. Die Frage nach bereits bekannten oder bevorzugten Methoden führt direkt ins Thema. Die Vorstellungen der Jugendlichen von den verschiedenen Methoden mit ihren Vor- und Nachteilen sollten erörtert werden, damit die Jugendlichen sich orientieren können.

Kontrazeption bei Jugendlichen

Die orale hormonale Kontrazeption mit der Pille bezeichnete C. Brucker als die günstigste Form der Kontrazeption für Jugendliche – vor allem wegen ihrer hohen Sicherheit. Da das Knochenwachstum bei gesunden Mädchen im Alter von 14 Jahren zu ca. 98 % abgeschlossen
ist, sei ein nachteiliger Einfluss auf das Knochenwachstum nicht zu erwarten. Speziell bei jungen Patientinnen mit PCO-Syndrom ist ein frühzeitiger Beginn der Pilleneinnahme ratsam, um die bekannten Spätfolgen des PCO-Syndroms (Sterilität, metabolisches Syndrom, Typ-2-Diabetes, kardiovaskuläre Erkrankungen) zu verhindern. Die Pille kann in diesen Fällen bereits indiziert sein, wenn noch kein Bedarf für Kontrazeption vorliegt.

Systemisch wirksame Langzeitkontrazeptiva bieten ebenfalls die Möglichkeit einer sicheren Empfängnisverhütung und sind weniger Compliance-abhängig als die Pille. Im Unterschied zu Pille beinhalten diese Kontrazeptiva jedoch ausschließlich Gestagene. Auch liegen für die Langzeitkontrazeptiva in Bezug auf ein mögliches Osteoporose-Risiko in dieser Altersgruppe bisher noch keine ausreichenden Daten vor, was bei der Verordnung an junge Mädchen berücksichtigt werden muss.

Intrauterinpessare können wegen des erhöhten Risikos für sexuell übertragbare Erkrankungen bei instabilen Partnerbeziehungen Jugendlicher als Methode der zweiten Wahl gelten. Bei beiderseits monogamer Beziehung und ohne STD-Risiko durch den Partner können sie jedoch eingesetzt werden, wenn zuvor keine Unterleibsentzündungen aufgetreten waren und andere Methoden nicht geeignet sind oder nicht akzeptiert werden.

Die Anwendung eines Diaphragmas oder die alleinige Verwendung von Kondomen ist aufgrund der geringeren Effizienz weniger empfehlenswert. Zudem bestehen erhebliche Compliance-Probleme. Denn das Kondom schützt zwar in hohem Maße auch vor sexuell übertragbaren Krankheiten, aber die Beeinträchtigung der Sexualität kann dazu führen, dass seine Anwendung unterbleibt. Wichtig in diesem Zusammenhang ist dann die Aufklärung über die Möglichkeit, die „Pille danach“ anzuwenden.

Rechtliche Aspekte bei der Verordnung von Verhütungsmitteln

C. Brucker erinnerte daran, dass unter 14jährige als Kinder gelten. Nach § 176, Absatz 3 des StGB wird der Beischlaf mit einem Kind unter 14 Jahren als besonders schwerer Fall sexuellen Missbrauchs geahndet. Es ist daher ratsam, die schriftliche Einwilligung beider Elternteile für die Verordnung von Kontrazeptiva an unter 14 Jahre alte Jugendliche einzuholen.

Bei Jugendlichen im Alter zwischen 14 und 16 Jahren sollte die Einverständniserklärung wenigstens eines Elternteils vorliegen. Wenn diese abgelehnt wird, muss sich der verordnende Arzt selbst von der psychosexuellen Reife und der Einwilligungsfähigkeit der Jugendlichen überzeugen. Bei älteren Jugendlichen im Alter zwischen 16 und 18 Jahren sollte ein Elternteil nur dann hinzugezogen werden, wenn nach Auffassung des verordnenden Arztes die Einwilligungsfähigkeit nicht gegeben ist.

Berichterstatterin:

Christiane Schaefer
Ratingen