Fachwissen

An ounce of prevention is better than a pound of treatment:

Möglichkeiten der Vorbeugung in der Kinder- und Jugendgynäkologie (I)

Prof. em. Dr. med. Ch. Lauritzen, Ulm

aus korasion Nr. 4, Dezember 1999

In den hoch entwickelten Ländern des Westens werden immer weniger Kinder geboren. Die Geburtenrate liegt weit unter der Sterberate. Kinder und Jugendliche machen nur 19 % der Bevölkerung aus. Die wenigen Kinder, die zur Welt kommen, sind daher für die Eltern, den Staat und die Gesellschaft um so wichtiger und kostbarer.
Die Eltern, die sich zur Schwangerschaft und zur Aufzucht von Kindern entschließen, wünschen deshalb auch mit verständlichem Nachdruck, dass in Gravidität, Kindheit und Jugend soweit wie möglich jedes Gefährdungsrisiko durch eine lückenlose und wirksame ärztliche Versorgung ausgeschlossen werde. Gynäkologie und Geburtshilfe bemühen sich nach Kräften, diesem berechtigten Wunsch soweit wie möglich nachzukommen.

Rauchen, Alkohol und Krebs

Rauchende junge Mädchen haben im späteren Erwachsenenalter ein deutlich erhöhtes Risiko für die Entwicklung von Brustkrebs. Diese Erhöhung beträgt 50 bis 60 %: Mit jedem inhalierten Zug an der Zigarette entstehen im Organismus Zehntausende von freien Radikalen.

Das Brustkrebs-Risiko wird durch die Kombination von Rauchen und Alkoholkonsum noch weiter gesteigert. Die annähernd regelmäßige Zufuhr von mehr als 35 g Alkohol pro Tag erhöht das Risiko für die Entstehung eines Mammakarzinoms um 56 %.

Diese Tatsache zeigt noch einmal, dass die jugendliche, sich entwickelnde, noch nicht ausgereifte Brust mit ihrer erhöhten Mitoseaktivität für karzinogene Reize besonders empfindlich ist.

Ebenso schädlich ist das Passivrauchen, dem viele Kinder mit rauchenden Müttern oder Vätern ausgesetzt sind. Unmittelbare Schäden tun sich in einer chronischen Bronchitis und in Asthma-ähnlichen Zuständen kund. Die Langzeitschäden sind offenbar die gleichen wie bei aktivem Rauchen.

Das Faktum der Schädigung insbesondere der jugendlichen Brust durch Genussgifte wie Nikotin und Alkohol ist bei jungen Leuten viel zu wenig bekannt und muss unbedingt in das allgemeine Bewusstsein gebracht werden. Frauen, die Alkoholabusus betreiben, zeigen aber auch eine erhöhte Anfälligkeit für entzündliche Genitalerkrankungen, Hypertonie und für kardiale Arrhythmien.

Für bemerkenswert halte ich die Erkenntnis, dass der Anstieg des Brustkrebs-Risikos infolge Alkoholkonsums offenbar durch eine Zufuhr von Folsäure verhütbar ist. Dieser Befund gibt einen interessanten Hinweis auf den Mechanismus der Krebsförderung durch Alkohol und zeigt einen möglichen Weg der Prävention auf.

Ferner sei angemerkt, dass das Aufhören mit dem Rauchen dazu führt, dass sich das Risiko für die Entstehung eines Mammakarzinoms und von Herz-Kreislauf-Erkrankungen innerhalb von zehn Jahren langsam wieder der Norm annähert. Dies sollte ein Anlass sein, mit dem Rauchen auch noch in fortgeschrittenem Alter aufzuhören.

Zunehmend häufiger wurden in den letzten Jahrzehnten Vor- und Frühstadien des Zervixkarzinoms bei jungen Mädchen beobachtet. Auf die ursächliche Bedeutung der heute relativ frühen Kohabitarche und insbesondere auf den diesbezüglich fördernden Einfluss von häufig wechselnden Sexualpartnern, von chronischen Entzündungen und von HPV-Infektionen wurde bereits hingewiesen: Junge Frauen mit Aufnahme des Geschlechtsverkehrs vor dem 16. Lebensjahr erkranken doppelt so häufig an einem Zervixkarzinom als solche, die mit intimen Beziehungen erst nach dem 20. Lebensjahr beginnen. Für das Auftreten intraepithelialer Neoplasien ist vor allem die Anzahl der Sexualpartner von Bedeutung.

Rauchen ist ein wichtiger zusätzlicher, kausaler Faktor für die Entstehung eines Zervixkarzinoms. Das relative Risiko (RR) für Raucherinnen, ein solches Karzinom zu entwickeln, beträgt 1,6.

Das hauptsächliche Karzinogen im Zigarettenrauch, das Coniin, wird konzentriert im Zervixschleim ausgeschieden und setzt dort im Zervixepithel den karziogenen Schaden. Dies gilt besonders für den häufig hyperproliferativen Zustand der Zervix in den oft noch monophasischen Zyklen der frühen Postmenarche mit verlängerter Proliferationsdauer. Rauchen und Entzündungen erleichtern zudem das Eindringen von HPV.

Insbesondere für Kinder und Adoleszentinnen ist von großer Bedeutung, dass passives Mitrauchen das Risiko für die Entstehung von Bronchialkarzinomen und kardiovaskulären Erkrankungen ebenso erhöht wie das aktive Rauchen. Für das Zervixkarzinom fehlen leider solche Untersuchungen.

Es muss im Hinblick auf die Schädlichkeit des Passivrauchens nachdrücklich an das Verantwortungsbewusstsein der Eltern und der Familienangehörigen appelliert werden, das Rauchen in Gegenwart der Kinder einzuschränken, am besten ganz zu lassen.

Rauchen gefährdet die Gesundheit

Diese Aufschrift auf den Zigarettenpackungen besteht sehr zu recht, hat aber bisher offenbar kaum zu Konsequenzen geführt.

Jede gerauchte Zigarette verkürzt die Lebensdauer um neun Sekunden. Weltweit stirbt alle zehn Sekunden ein Raucher vorzeitig an den Folgen seiner Sucht. In Deutschland sind es 110 000 Menschen pro Jahr, weltweit drei Millionen. Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Lungen-, Rachen- und Blasenkrebs als Folge des Rauchens sind die Hauptursachen dafür.

Das Zigarettenrauchen ist die wichtigste Ursache für die vermeidbare, dreifach erhöhte Sterblichkeit von Rauchern.

Bei den Jugendlichen hat sich der Anteil von Rauchern in Westdeutschland von 38 % auf gegenwärtig 40 % erhöht, in Ostdeutschland von 33 % auf 45 %. Knapp 40 % davon sind Mädchen (Deutsches Ärzteblatt 96 (1999), C-470). Andere Veröffentlichungen beziffern den Anteil regelmäßig rauchender Mädchen im Alter von 15 Jahren mit 28,8 %. Dieser Anteil ist höher als bei Knaben (20,9 %). Jeden Tag greifen 19,3 % der 15jährigen Mädchen zur Zigarette (Berufsverband der Frauenärzte, Pressedienst, Frauenarzt 39, 10, 1998).

Die Abhängigkeit der Mädchen und Frauen vom Nikotin ist angeblich größer als die des männlichen Geschlechts. Sucht und Abhängigkeit bestehen in 36 bis 40 % der Fälle. Zwei Drittel aller Karzinomerkrankungen könnten verhütet werden, da sie nicht auf organischen Ursachen beruhen, sondern auf einen falschen Lebensstil zurückzuführen sind.

Es sei noch einmal präzisiert: Nach Angaben der American Heart Association treten durch Passivrauchen pro Jahr 40 000 Todesfälle als Folge kardiovaskulärer Erkrankungen und 4000 Todesfälle infolge von Bronchialkarzinomen in den USA ein.

30 % der bösartigen Geschwülste entstehen, weil Kinder passiv Zigarettenrauch ausgesetzt sind (Verlautbarung des Deutschen Krebsforschungszentrums, 1999).

Das kleinzellige Bronchialkarzinom, das praktisch therapieresistent ist, nimmt als Folge des Rauchens ständig zu. Schon heute sterben in den USA und in England mehr Frauen an Lungen- als an Brustkrebs (Pressedienst des Berufsverbandes der Frauenärzte).

Das Rauchen und die Einnahme einer “Pille” schließen einander wegen des deutlich erhöhten Herz-Kreislauf-Risikos aus. Rauchen und erhöhte Serum-Cholesterinwerte sind die Hauptursachen für die Ausbildung von sog. fatty streads in der Aorta und in den Koronarien schon bei Jugendlichen als Ausdruck einer beginnenden Atherosklerose und deren potentiell katastrophalen Folgen. Rauchen erhöht auch das Risiko für das Auftreten von Osteoporose und Knochenfrakturen. Auf das erhöhte Risiko rauchender Mädchen für die Entstehung von Zervix- und Mammakarzinomen wurde bereits oben hingewiesen. Frauen, die rauchen, leben zudem öfter in kinderlosen Ehen. Raucherinnen kommen zwei bis drei Jahre früher in die Wechseljahre. Die Haut rauchender Frauen altert nachgewiesenermaßen schneller.

Schließlich ist auf den erhöhten Bedarf an Vitaminen des B-Komplexes und an Vitamin C bei Rauchern aufmerksam zu machen. Dies ist insofern von Bedeutung, als bei Vitaminmangel die Verstoffwechselung und Entgiftung von Schadstoffen beeinträchtigt ist.

Als Beispiele für erfolgversprechende Kampagnen gegen das Rauchen nenne ich die “Deutsche Nikotinkonferenz” unter der Schirmherrschaft der Bundesärztekammer und die Tagung von Ärzten und Kassenvertretern mit Schülern de Erfurter Gymnasiums unter dem Motto: “Gesund ins Erwachsenenalter - Rauchen in der Schule?” (Deutsches Ärzteblatt 95 (1998), Heft 31-32, C-1432), bei der Projekte der Raucherprävention und Raucherentwöhnung an Thüringer Schulen vorgestellt wurden. Vom Arbeitskreis “Rauchen und Gesundheit e. V.” wird jährlich ein mit 15 000 DM dotierter Forschungspreis verliehen. Deutschland, Frankreich, England und Polen nehmen an dem über drei Jahre laufenden WHO-Partnerschaftsprojekt gegen Tabakabhängigkeit teil. In diesem Rahmen wurde eine Broschüre “Rauerentwöhnung leicht gemacht” herausgegeben, die unentgeltlich über die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung bezogen werden kann. Es ist zu hoffen, dass das Verbot der Zigarettenwerbung, die Beschränkung der Aufstellung von Zigarettenautomaten und die gegenwärtig laufenden Klagen gegen die Zigarettenindustrie in den USA wegen durch Rauch verursachter Krebsleiden eine gewisse Reduktion der Anzahl der Raucher mit sich bringen werden. Dagegen zeigt die halbherzige deutsche Gesetzgebung, die den Schutz von Nichtrauchern verankern sollte, ein klägliches, vom Gesichtspunkt der Gesundheitsvorsorge völlig unverständliches und nachdrücklich zu missbilligendes Ergebnis.

Leider ist es in der Kinder- und Jugendgynäkologie nicht üblich, routinemäßig nach den Rauchgewohnheiten junger Leute zu fragen. Dies sollte unbedingt allgemeine Gepflogenheit werden.

Die Möglichkeiten der Entwöhnung durch Nikotinsubstitution über Pflaster, Kaugummis oder Nasenspray unter Änderung der bedingten Reflexe und der Lebensgewohnheiten sowie durch Verwendung der jetzt neu herausgebrachten Medikamente sollten bei positiver Anamnese nachdrücklich genutzt werden. Bedauerlicherweise ist die Rückfallquote bei jungen Rauchern und Raucherinnen besonders hoch.

Rauchen und Empfängnis

Rauchen gefährdet die Fruchtbarkeit: Frauen, die rauchen, haben öfter Sterilitätsprobleme. In einer streng geplanten Kohortenstudie fand sich eine 22 %ige Minderung der gewünschten Empfängnis bei Frauen, die mehr als 20 Zigaretten pro Tag rauchten. Es gab diesbezüglich eine deutliche Dosis-Wirkungsbeziehung.
Nach Aufhören mit dem Rauchen kommt es zu einer Normalisierung der Fruchtbarkeit.

Eine große Anzahl von retrospektiven Studien erbrachte eine Minderung der Fruchtbarkeit im Mittel um 40 %: Rauchen verschlechtert die Überlebenszeit von Oozyten, beeinträchtigt die Tubenmotilität und verzögert die Blastozysten-Bildung und -Entwicklung, die Embryoreifung und die Implantation. Daher wird auch die Erfolgsquote bei assistierter Reproduktion durch Rauchen verschlechtert.

Bei Mann und Frau mindert Rauchen die Durchblutung im Genitalbereich und verschlechtert beim Mann die Spermienproduktion.

Im Harn der Neugeborenen, deren Mütter in der Schwangerschaft geraucht haben, sind dem Tabakrauch entstammende Karzinogene nachweisbar.

Alkohol ist nicht harmlos

Alkohol ist ein Zellgift, das Wachstum beeinträchtigt und neurotoxisch wirkt. Toxisch ist vor allem das Stoffwechselprodukt Azetaldehyd.

Ob Alkohol zum Suchtmittel wird, hängt von familiär-genetischen Faktoren, von der Persönlichkeit und vom individuellen Umfeld ab.

Beim Embryo ist Alkohol die häufigste und bedeutsamste Ursache von schweren Fehlbildungen. Solche Kinder sind später erhöht gefährdet, alkoholabhängig zu werden. Diese Tatsache sollte jedem Mädchen und jeder jungen Frau vor Eintritt einer Schwangerschaft bekannt sein.

Deutschland liegt mit dem Verbrauch von 11,2 Litern reinen Alkohols (entsprechend 280 Liter Bier oder 180 Liter Wein) pro Kopf und Jahr in der Spitzengruppe der europäischen Länder. Jeder zweite Erwachsene konsumiert statistisch 60 g reinen Alkohol pro Tag. Schätzungsweise 3,9 bis 4,4 Millionen Personen in Deutschland sind alkoholabhängig. Es gibt etwa 250 000 alkoholabhängige oder stark alkoholgefährdete Kinder. Bei den Jugendlichen liegt der Anteil derjenigen, die sechsmal oder häufiger pro Jahr betrunken sind, bei 13 bis 19 %.

Eltern sollten im Sinne der Prävention verhindern, dass ihre Kinder Medikamente, Lebensmittel oder Süßwaren mit Alkoholgehalt zu sich nehmen, die sie Alkohol als angenehm empfinden lassen.

Bei jungen Mädchen beginnt die Gefahr des Alkoholmissbrauchs in der Adoleszenz, wenn sie Taschengeld erhalten und häufige Gäste auf Partys und in Diskos sind.

Alkohol enthält relativ viele Kalorien, nämlich 7,0 kcal pro Gramm, wohingegen Eiweiß und Kohlenhydrate nur 4 kcal pro Gramm enthalten. Nur Fett enthält mit 9,2 kcal mehr Energie. Regelmäßiger Alkoholkonsum begünstigt daher den für die Gesundheit wichtigen Risikofaktor Übergewicht.

Untersuchungen zur krebsfördernden Wirkung von Alkohol haben ergeben, dass bei einem Alkoholkonsum zwischen 10 und 60 g pro Tag ein linearer Anstieg des Malignitätsrisikos eintritt.
Häufiger und länger dauernder Alkoholmissbrauch erhöht das Risiko für Krebs der Mundhöhle (achtfach), der Speiseröhre (18fach), in Rachen und Kehlkopf bzw. in den oberen Atemwegen (achtfach), für Brustkrebs (zweifach) und für Dickdarmkrebs (1,5 - 3,5fach). Bei Patientinnen mit chronischer Hepatitis erhöht Alkohol aber auch das Risiko für Magen- und Pankreaskrebs. Die Höhe des Risikos ist zusätzlich von genetischen Faktoren sowie der Leistungsfähigkeit bei DNS-Repair und Entgiftung abhängig.

Die Annahme, dass Alkoholkonsum ungefährlich, ja sogar gesundheitsfördernd sei, wird durch die veröffentlichte Meinung vielfach gefördert: Rotwein soll aufgrund seines Gehalts an aromatischen Polyphenolen das schädliche LDL-Cholesterin senken und das Risiko für einen Herzinfarkt um 45 % vermindern. Dies gilt tatsächlich aber nur für kleine Mengen Rotweins. Und weil das Alkohol-abbauende Enzym Alkohol-Dehydrogenase im Vergleich zur Situation beim Mann von der weiblichen Magenschleimhaut und Leber in geringerer Menge produziert wird, gilt dies im Hinblick auf Frauen nur für 0,125 bis 0,25 Liter pro Tag (Grenze: 20 g Alkohol pro die). Zudem trifft die Aussage nur für den Teil der Bevölkerung zu, der den Rotwein zum Essen trinkt, sich ausreichend bewegt und nicht raucht. Nicht zuletzt kann auch das antiatherosklerotisch wirksame, “gute” HDL-Cholesterin unter kleinen Mengen an Alkohol ansteigen, wenn auch überwiegend in der weniger wichtigen HDL-3-Fraktion. Allerdings wird meist verschwiegen, dass die hauptsächlich präventiv wirksame Substanz, das Resveratrol (ein Antioxidans), in der Hülle der Trauben lokalisiert ist, die bei der Herstellung von Rotwein, nicht aber bei der Herstellung von Weißwein mit verwendet wird. Der Verzehr von Weintrauben, das Trinken von Traubensaft oder von Johannisbeersaft ist daher mindestens gleich wirksam, ebenso das Trinken von grünem Tee. Dieser enthält neben den Vitaminen A, B, E und C das Epigallocatechin-3-gallol, das nach Untersuchungen aus dem Karolinska-Institut in Stockholm Cholesterin-senkend, Blutdruck-senkend und Herzinfarkt-verhütend wirksam ist. Auch Erdnüsse und andere Nüsse, die Resveratrol enthalten, beugen Herzproblemen vor. Die schädigende Wirkung des Alkohols im Hinblick auf Bluthochdruck und Atheroskleroseentwicklung ist bekannt. Die Risikoerhöhung für Mundhöhlen-, Rachen-, Kehlkopf-, Speiseröhren- und Magen-Darmkrebs kann bis zu achtfach erhöht sein. Die Entzündung der Bauchspeicheldrüse (Pankreatitis), die Verschlechterung der Leber- und Hirnfunktion (mit Intelligenz- und Gedächtnisverlust) ist dreifach erhöht. Der krebsfördernde Effekt an der weiblichen Brust tritt ebenfalls schon nach Zufuhr von mehr als 20 g Alkohol pro Tag ein, also bei Konsum von mehr als 0,125 Liter Wein oder mehr als 0,3 bis 0,5 Liter Bier, insbesondere aber bei Konsum hochprozentiger Getränke. Für Männer gelten zwei- bis dreifach höhere Grenzmengen.

Die giftigen Abbauprodukte des Alkohols wie Azetaldehyd, Propandiol und Butandiol entfalten direkte toxische Wirkungen und vermindern die Entgiftung von Schadstoffen. Im einzelnen kann gelten:

  • Alkohol stimuliert das Leberenzym p 450, das andere Karzinogene aktiviert.
  • Alkohol erhöht die Membranpermeabilität (Phospholipide) für Karzinogene.
  • Alkohol fördert die Bildung von schädlichen Oxidationsprodukten.
  • Alkohol zerstört die Erbsubstanz und die körpereigenen Reparatursysteme (DNS-Repair).
  • Die Alkoholmetaboliten führen ferner zu einer zunehmenden Schädigung der Insulinrezeptoren und damit zur Hyperinsulinämie und zum sog. metabolischen Syndrom mit gestörtem Fettabbau und Verschlechterung der Lipidwerte.
  • Alkoholkonsum bedingt einen erhöhten Bedarf an B-Vitaminen, insbesondere an Folsäure, Vitamin B1 und B6 und führt daher öfter zu B-Vitaminmangel.
  • Alkohol beeinträchtigt zudem das Immunsystem.

In Deutschland sterben jährlich etwa 40 000 Menschen an Erkrankungen infolge Alkoholkonsums. Die meisten sind langzeitige Alkoholiker, also von Jugend an abhängig. Alkohol ist die suchtmachende Droge Nr. 1. 2,5 Millionen Bundesbürger sind behandlungsbedürftig alkoholkrank, davon vermutlich knapp 20 % Jugendliche.

Aufklärung und Prävention müssen also unbedingt schon bei den Jugendlichen einsetzen, um Gewöhnung und Suchtbildung von vornherein zu verhindern. Die Werbung für Alkohol müsste im Hinblick auf die Jugendlichen eingeschränkt werden, und auf die Schädlichkeit des Alkohols sollte - wie auf die von Zigarettenrauchen - nachdrücklich hingewiesen werden.

Konsum illegaler Drogen

In Westdeutschland haben 14,2 % der Menschen einmal oder mehrmals in ihrem Leben Erfahrungen mit illegalen Drogen gemacht. In Ostdeutschland waren es bisher nur 4,8 %. Abhängigkeit besteht bei 1,4 % der Erwachsenen in Westdeutschland. Der Anteil von Jugendlichen zwischen 12 und 25 Jahren, die Erfahrungen mit illegalen Drogen haben, ist von 18 % im Jahre 1993 auf 21 % im Jahre 1997 angestiegen. Die Zahlen haben sich vor allem in den jüngeren Altersgruppen, bei Mädchen und in Ostdeutschland erhöht. Insbesondere hat der Missbrauch von Cannabis und Ecstasy zugenommen. Die Wahrscheinlichkeit, Suchtmittel einzunehmen, erhöht sich bei Jugendlichen in folgender Reihenfolge: Rauchen, Alkohol, Cannabis, harte illegale Drogen (Dtsch. Ärztebl. 96 (1999), C-470). Die vorzeitige Drogensterblichkeit beträgt etwa 1 % aller Todesfälle.

Drogenmissbrauch bewirkt Zyklusstörungen, und einige Drogen führen zu einer Minderung der Fruchtbarkeit. Tritt eine Schwangerschaft ein, so kommt es - überwiegend infolge ungenügender Nutzung der Vorsorgeuntersuchungen, aber auch infolge Drogenwirkungen - zu einem Anstieg von spontanen Fehlgeburten und Totgeburten (oft auch nach Drogenentzug) sowie zu einer Zunahme von neonatalen und perinatalen Todesfällen. Die Neugeborenen zeigen gehäuft Minderwuchs.

Auch Kokain ist eindeutig embryo- und fetotoxisch. Die Droge kann zu Dystrophie, zu urogenitalen Fehlbildungen, zu Skelettdeformitäten und zur Mikrozephalie führen.

In der Neonatalzeit kommt es bei den Neugeborenen drogenabhängiger Frauen zu bedenklichen Entzugssymptomen, unter anderem zu schwer beherrschbaren Krampfanfällen. Besonders stark sind die Entzugserscheinungen bei den Neugeborenen nach der Einwirkung von Heroin.

Durch eine Erhöhung der Thrombosytenzahl bei den Neugeborenen drogenabhängiger Mütter drohen zerebrale Komplikationen. Langzeitstudien haben ergeben, dass die Sprach- und Gedächtnisleistungen bei Kindern im Alter von vier Jahren bei Marihuanakonsum der Mütter retardiert waren. Außerdem wurden vermehrt Chromosomenbrüche nachgewiesen, wobei deren Bedeutung jedoch nicht völlig klar ist.

Der schädliche Einfluss von Drogen auf Psyche und Physis junger Menschen, der meist damit verbundene soziale Abstieg und das häufige Abdriften in die Kriminalität können nur durch frühzeitige Aufklärung und durch beispielgebende Vorbilder (z. B. Sportler mit Leitbildfunktion) bekämpft werden. Notwendig sind: absolute Ächtung der Drogen, strenge staatliche Maßnahmen, intensive Betreuung der Süchtigen und deren Familien einschließlich des Umfeldes. Prävention durch Aufklärung , Arbeitsbeschaffung und Sozialarbeit mit Jugendlichen ist von hoher Bedeutung für den Schutz der Jugend vor dieser Geißel der Menschheit.

Mediziner und Psychologen sind im Bereich der Suchtkrankheiten ungenügend ausgebildet. Viele Ärzte werden daher ein Alkoholproblem, wenn es vorliegt, gar nicht erkennen. Ausbildung, Weiter- und Fortbildung müssen daher in dieser Hinsicht verbessert werden.

Von vordringlicher Wichtigkeit ist in diesem Zusammenhang die Förderung der Suchtforschung. Erst 1999 wurde der erste Lehrstuhl für Suchtforschung in Deutschland errichtet, und zwar am Zentralinstitut für seelische Gesundheit in Mannheim.

Bezüglich weitere Einzelheiten seien Interessenten auf die Broschüren der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung in Köln ("Materialien zur Suchtprävention") verwiesen.

Alkohol und Schwangerschaft

Den jungen Frauen muss nachdrücklich klargemacht werden, dass schon kleine Mengen an Alkohol in der Schwangerschaft verheerende Wirkungen auf die Frucht ausüben. Schon 20 bis 30 g Alkohol (z. B. zwei Gläser Wein oder 1 1/2 Flaschen Bier) pro Tag können zu schweren Fehlbildungen führen, nämlich zu Deformierungen von Gesicht, Schädel, Gehirn, Herz und Genitale, ferner zu Intelligenzdefekten und zu Störungen der Motorik, d. h. zum fetalen Alkoholsyndrom. Gravierende Fehlbildungen werden vor allem bei Alkoholmissbrauch der werdenden Mütter im ersten Schwangerschaftsdrittel beobachtet. Darüber hinaus kommt es in Fetalzeit und Kindheit zu Mangelentwicklungen und Minderwuchs.

Jährlich werden etwa 2 200 Kinder in Deutschland mit schweren Fehlbildungen infolge eines Alkoholsyndroms geboren. Nach anderen Aussagen sind 2 bis 3 % aller Kinder betroffen, wobei leichte Fälle geistiger Minderleistung sicherlich gar nicht erfasst werden.

2 000 Unfalltote pro Jahr gehen nachgewiesenermaßen auf das Konto von Alkoholmissbrauch am Steuer, wobei alkoholisierte junge Leute eine prominente Rolle spielen (beispielsweise nach Diskobesuchen; siehe das Aufklärungsblatt des Landesgesundheitsamtes Baden-Württemberg). Auch ist schließlich wichtig zu wissen, dass es bei gleichzeitiger Einnahme von Medikamenten und Alkoholkonsum zu gefährlichen Nebenwirkungen kommen kann, die unter anderem die Verkehrssicherheit einschränken.

Rauchen und Schwangerschaft

Rauchen in der Schwangerschaft führt zu Minderwuchs der Kinder. Im ersten Harn der Neugeborenen, deren Mütter in der Schwangerschaft geraucht haben, sind mehrere Karzinogene nachweisbar. Über Spätfolgen seitens dieser Karzinogene ist nichts Sicheres bekannt.

Schutz vor Krebs durch frühe Schwangerschaft?

Eine frühe Schwangerschaft (vor dem 25. Lebensjahr) schützt weitgehend vor der Entwicklung eines Brustkrebses, übrigens auch vor Endometrium- und Eierstockkrebs und möglicherweise auch vor Dickdarmkrebs.

Hat die Frau bis zu diesem Zeitpunkt keine Schwangerschaft ausgetragen oder tritt die erste Schwangerschaft erst nach dem 25. bis 30. Lebensjahr ein, was in unserer Gesellschaft öfter der Fall ist (das mittlere Alter bei der ersten Schwangerschaft beträgt im Durchschnitt 28 Jahre), so liegt das Risiko, einen Brustkrebs zu entwickeln, 1,4- bis 3fach höher als "normal", d. h. solche Frauen haben eine beträchtlich erhöhte Gefährdung, an Brustkrebs bzw. auch an Endometrium-, Ovarial- und Dickdarmkrebs zu erkranken und zu sterben.

Brust-, Endometrium- und Ovarialepithelien sind also am besten vor malignen Entwicklungen geschützt, wenn dem durch intensive Zellteilungsaktivitäten charakterisierten Aufbau der Drüsengewebe in Pubertät und Adoleszenz unmittelbar die definitive Ausreifung in einer ausgetragenen Schwangerschaft und einer längeren Laktationsperiode folgt. Dies gilt insbesondere für die Mamma, die erst nach ihrer vollen Ausreifung Krebsresistenz erlangt (Struktur-Reifestadium 3 und 4 nach Russo, 72). Je öfter und länger also eine mit erhöhten Mitoseraten einhergehende Schwangerschaftsvorbereitung an der Brust in nichtfruchtbaren Zyklen ohne alsbald darauf folgende definitive Schwangerschaftsreifung abläuft, desto höher steigt das Brustkrebs-Risiko und auch das Risiko für Eierstockkrebs an.

Entscheidend für die Höhe des Mamma- und Eierstockkarzinom-Risikos ist demnach unter anderem die Gesamtdauer der - im Hinblick auf das Ziel Schwangerschaft - vergeblich ablaufenden Zyklen. Dabei ist die behauptete, leicht erhöhte Gefährdung bei Zyklen ohne Corpus luteum bzw. bei insuffizienter Bildung von Gelbkörperhormon wahrscheinlich mehr im Zusammenhang mit einer späten ersten Schwangerschaft zu sehen.

Für die Eierstöcke steigt wahrscheinlich mit der Anzahl der Ovulationen, die ein sich vielfach wiederholendes Trauma für das Ovarialepithel darstellen, das Risiko an, dass sich ein epitheliales Ovarialkarzinom entwickelt. Schwangerschaften setzen die Zahl der Ovulationen herab. Auch die "Pille" ist ja über die Hemmung der Ovulationen krebspräventiv wirksam.

Diese Tatsachen sind unter jungen Leuten - ebenso wie in der Gesamtbevölkerung - viel zu wenig bekannt. Sicherlich wird die Kenntnis der Zusammenhänge zwar nicht dazu führen, dass das Alter der jungen Frauen bei der ersten Schwangerschaft absinkt, da die soziologischen Bedingungen, die gegenwärtig für die späte Planung erster Schwangerschaften verantwortlich sind, kaum verändert werden können. Immerhin haben jedoch alle Frauen ein Recht darauf, diese für sie wichtige Information zu erhalten, und in einigen Fällen mag die Entscheidung bezüglich eines Kindes ja vielleicht unter diesen genannten Risikogesichtspunkten auch einmal positiv ausfallen, sobald die Gesellschaft das bedrohliche Ausmaß der ständigen Zunahme von Brustkrebsen und den Vorteil eines weitgehenden (60 %igen) Schutzes durch eine frühe Schwangerschaft wirklichkeitswirksam begriffen hat.

Schutz vor Brustkrebs durch Sport

Regelmäßige körperliche Bewegung in der Freizeit oder im Beruf senkt das Brustkrebsrisiko. Dies wurde neuerdings erneut durch eine norwegische Kohortenstudie mit 26 624 Teilnehmerinnen in einer durchschnittlichen Beobachtungszeit von 13,7 Jahren ermittelt (siehe auch Tab. 1). Am geringsten war das Brustkrebsrisiko für schlanke Frauen, die mindestens vier Stunden pro Woche Sport betrieben. Das relative Risiko (RR) für diese Frauen betrug: 0,28 (Cl: 0,11-0,70).

Laufen, Rudern, Tennis, Aerobic, Wandern und Mannschaftssport in vernünftigem Umfang sind für Jugendliche geeignete Sportarten.

Fördern Abruptiones das Brustkrebsrisiko

Die Zahl der Abruptiones liegt in Deutschland im Mittel bei 161 je 1 000 Geburten, d. h. zwischen 80 und 381 je nach Bundesland.

Von Jahr zu Jahr etwas unterschiedlich werden etwa 135 000 Abruptiones pro anno registriert. Davon entfallen 28,2 % auf Frauen im Alter zwischen 15 und 25 Jahren.

Im Jahre 1997 gab es 441 gemeldete Schwangerschaftsabbrüche bei Mädchen unter 15 Jahren. 15 Jahre alt waren 915 Mädchen, ebenfalls 915 Mädchen waren 16 Jahre alt. 2 335 Mädchen standen zum Zeitpunkt der Abruptio im Alter von 17, 3 207 im Alter von 18 und 3 950 von 19 Jahren. Insgesamt wurden demnach in diesen Altersgruppen 12 451 Mädchen mit Schwangerschaftsabbrüchen registriert.

In einer metaanalytischen Auswertung von 23 großangelegten Einzelstudien mit 61 000 Frauen in elf Ländern wurde das Risiko für das Auftreten eines Mammakarzinoms nach Abruptiones ermittelt. In 18 dieser 23 Studien fand sich eine eindeutige Zunahme des Brustkrebsrisikos um etwa 30 % (RR: 1,3): Die Untersucher erklären diese Zunahme des Brustkrebsrisikos mit den hormonalen Veränderungen im Körper der Schwangeren während der ersten Monate. Die steigenden Mengen von Östrogenen und Wachstumshormonen (Insulin, STH, HPL und IGF-I) führen zu einer starken Proliferation der Brustepithelzellen. Diese jungen, einer erheblichen Mitoserate unterliegenden Zellen sind strukturell aber noch nicht zur vollen Reife gelangt und daher krebsanfällig. Denn nur die voll ausgetragene Schwangerschaft mit dem Endpunkt der Milchproduktion durch die Brust und eine ausreichende Laktationszeit gewährleisten einen Schwangerschaftsabbruch, so verbleiben die Brustzellen in einem Unreifestadium (Russo 1 und 2), in dem sie besonders krebsanfällig sind.

Nach einer ausgetragenen Schwangerschaft in nicht zu hohem Alter der Frau herrschen dagegen in den Mammae Zellen des Typs 3 und 4 (nach Russo) vor, die weitgehend krebsresistent sind.

Da es auch einige Studien gibt, in denen sich keine deutliche Risikoerhöhung fand, ist zumindest festzustellen, dass eine kurze, abgebrochene Schwangerschaft nicht vor Brustkrebs schützt, wie das für die ausgetragene Schwangerschaft erwiesen ist.

Vorbeugung des Zervixkarzinoms

Eine frühzeitige Aufnahme des Geschlechtsverkehrs und vielfach wechselnde Partner beim Geschlechtsverkehr sind wichtige Risikofaktoren im Hinblick auf die Entstehung eines Gebärmutterhalskrebses. Die hauptsächlichen Folgen sind chronische Entzündungen und Infektionen mit humanen Papillomaviren (HPV 16/18).

HPV 16 und 18 bewirken Präkanzerosen und schließlich die Entstehung von Zervixkarzinomen. Die Viren werden durch Geschlechtsverkehr übertragen und dringen durch kleinste Schrunden in das Epithel der Scheide und des Muttermundes ein. Immerhin findet man HPV bei 26 % der sexuell aktiven Studentinnen.

Die Verhütung einer solchen HPV-Infektion und damit die Vermeidung der potentiellen, oben beschriebenen Krebsentstehung ist durch den richtigen Gebrauch von zuverlässig dichten Kondomen möglich. Noch wichtiger ist ja allerdings, dass durch die Benutzung von Kondomen auch eine AIDS-Erkrankung verhütet werden kann.

Leider ist die Verwendung von Kondomen wenig beliebt und verbreitet. Sie sollte von ärztlicher Seite mit mehr Nachdruck als bisher propagiert werden. Die beträchtlichen Vorteile des Gummischutzes sind - insbesondere bei Jugendlichen - noch viel zu wenig bekannt. Die stärkere Propagierung von Kondomen wäre um so wichtiger, als es bisher noch keine wirklich wirksamen Behandlungsverfahren bei HPV-Infektionen und bei AIDS gibt. Die Kontrolle der Kondomanwendung sollte gleichermaßen in der Verantwortung der jungen Männer wie der jungen Frauen liegen.

Das Risiko für das Auftreten eines Gebärmutterhalskrebses wird - wie schon erwähnt - durch Zigarettenrauch verstärkt (siehe Abschnitt Rauchen, Alkohol und Krebs): Krebserzeugende Stoffe aus dem Zigarettenrauch (z. B. Coniin) werden in beträchtlicher Konzentration und zu einem hohen Anteil über den Zervixschleim ausgeschieden und bewirken im Zervixepithel Zellveränderungen, die sich zu Krebsen weiterentwickeln können.
Wird das Rauchen aufgegeben, so geht die erhöhte Krebsgefährdung innerhalb einer Jahre zurück. Dies wäre ein wichtiges Argument für ein Absetzen des Nikotins auch noch nach Jahren des Missbrauchs.

Die geringe relative Zunahme von Vorstadien des Zervixkarzinoms und von manifesten Gebärmutterhalskrebsen unter Einnahme der empfängnisverhütenden “Pillen” (besonders bei jungen Frauen vor der ersten Schwangerschaft) wird von den meisten Fachleuten auf den statistisch nachgewiesenen häufigeren Geschlechtsverkehr von “Pillen”-Benutzerinnen mit wechselnden Partnern und auf die höhere Zahl von Raucherinnen unter den “Pillen”-Benutzerinnen zurückgeführt. Nicht zuletzt sei noch einmal angeführt, dass bei Frauen, die rauchen und vermehrt Alkohol konsumieren, gehäuft Unfruchtbarkeit eintritt und dass Sterilitätsbehandlungen bei ihnen seltener erfolgreich sind (siehe oben).

Verhütung des Eierstockkrebses

Ovarialkarzinome sind besonders schwer frühzeitig genug diagnostizierbar, und die Heilungsraten sind dementsprechend immer noch sehr niedrig.
Wie oben dargelegt (siehe Abschnitt “Prävention durch die Pille”, korasion Nr. 1, 2000), bewirkt die langzeitige Einnahme einer kontrazeptiven “Pille” eine Reduktion des Risikos, an Eierstockkrebs zu erkranken, um etwa 50 %, und zwar auch noch für bis zu zehn Jahre nach Absetzen der “Pille”. Der Wirkungsmechanismus verläuft vermutlich über eine Verminderung der Zahl an Ovulationstraumen am Ovar und über eine Hemmung der Gonadotropinsekretion. Wahrscheinlich bewirkt ja auch die langzeitige Substitution mit Östrogen-Gestagen-Kombinationen nach den Wechseljahren (über den Hypophysenvorderlappen) - wenn auch in geringerem Umfang - eine Reduktion der Ovarialkarzinom-Inzidenz. Die Tatsache, dass die Häufigkeit des Ovarialkarzinoms - z. B. bei Rheumatikerinnen - auch unter einer langzeitigen Verabfolgung von Prostaglandinhemmern (von Salizylaten und noch deutlicher von Paracetamol) signifikant gesenkt wird, gibt einen interessanten Einblick in den biochemischen Mechanismus der Karzinomentstehung, bei der wahrscheinlich bestimmte Prostaglandinderivate eine Promotorrolle spielen. Für eine praktische Umsetzung in Richtung Prävention sind diese Erkenntnisse gegenwärtig jedoch noch nicht geeignet.

Zudem sei angemerkt, da dies noch zu wenig bekannt ist, dass niedrige Dosen von Salizylaten (100 mg/Tag), langzeitig verabfolgt, nicht nur das Thrombose-, Herzinfarkt-, Schlaganfall- und Ovarialkarzinom-Risiko vermindern können, sondern auch die Häufigkeit des Kolonkarzinoms herabsetzen.

Kosten von Therapie versus Prävention

Die Kosten im Gesundheitswesen sind in ihrer inzwischen kaum noch zu bezahlenden Höhe zu etwa 40 % durch die medizinische Versorgung bei verhütbaren Erkrankungen bedingt. Durch die Prävention dieser Erkrankungen könnte etwa die Hälfte der Kosten im Gesundheitswesen eingespart werden. Man bedenke, dass die durch den unterrichteten Laien betriebene Prävention durch gesunde Ernährung und optimierte Zufuhr von Vitaminen die Krankenversicherung nicht belasten würde. Dagegen kostet allein schon ein Tag stationärer Behandlung oder Rehabilitation etwa 600 DM oder mehr, womöglich ohne dass die eventuell sehr hohen Therapie- und Arztkosten eingeschlossen sind.

Dieses Argument der Kosteneinsparung allein müsste, wenn die sonstigen rationalen und emotionalen Argumente nicht ausreichen sollten, eigentlich genügen, um ein Umdenken und das Umstellen von der reparativen zu einer präventiven Medizin zu bewirken.

Schlussfolgerungen

Vorbeugung ist, wie ich zureichend dargelegt zu haben glaube, potentiell möglich und ganz besonders wirksam in der Kinder- und Jugendgynäkologie. Die wichtigste präventive Maßnahme ist die Einhaltung eines der Gesunderhaltung dienlichen Lebensstils. Dies gilt insbesondere für eine vernünftige Ernährung mit auch reichlich Vitaminen und Spurenelementen. Gleich wichtig ist die Vermeidung schädigender Einflüsse, so insbesondere einer kalorischen Überernährung, ferner die Einschränkung des Konsums von Süßigkeiten, von phosphatreichen süßen Getränken und von “Fast food”, die Meidung tierischer und die Bevorzugung pflanzlicher Fette, die Wahl von schlackenreicher Kost und der Verzicht auf Rauchen und auf Alkohol, zumindest von Alkohol in Mengen über 20 g pro Tag. Ein dem modernen Wissen angepasstes sexuelles, kontrazeptives und reproduktives Verhalten ist ebenfalls geeignet, die Häufigkeit von Geschlechtskrankheiten sowie von Genital- und Mammakarzinomen zu reduzieren. Das heute noch vorherrschende Verhalten dürfte aber besonders schwer zu ändern sein. Dennoch muss man versuchen, durch langzeitige konsequente Aufklärung und Motivation eine Verhaltensänderung zu erreichen.

Hoffnungsvolle Ansätze der Prävention

Die Kassenärztliche Bundesvereinigung hat schon 1974 und 1988 in ihren gesundheits- und sozialpolitischen Manifesten die Bedeutung der Prävention in der Medizin nachhaltig gewürdigt. Hingewiesen sei aber auch auf die Ausschüsse für Prävention bei den Landesärztekammern. Diese haben u. a. Kontakte mit den Redaktionen von Schülerzeitungen aufgenommen. Jährlich finden Präventionswochen der Bundesärztekammer im Dialog mit Gesundheitsexperten der Parteien und Vorstandsmitgliedern der Kassenärztlichen Vereinigungen statt.

Die Ärzte des öffentlichen Gesundheitssystems befürworten in ihrer politischen Botschaft die Bedeutung der Prävention mit besonderem Nachdruck. Der Berufsverband der Frauenärzte hat dementsprechend angeregt, die Präventionsleistungen um Jugenduntersuchungen beim Frauenarzt zu erweitern. Im Referentenentwurf für die “Gesundheitsreform 2000” waren denn auch Maßnahmen zur Prävention durch die gesetzlichen Krankenkassen vorgesehen. Für eine effektive Vorbeugung ist es erforderlich, dass die Ärzteschaft auf der Grundlage gesicherter Ergebnisse der “Evidence-based medicine” die Ziele, Chancen und Risiken für die Prävention fest umrissener Krankheiten in bestimmten Zielgruppen definiert und durch entsprechende Maßnahmen die Qualität der vorbeugenden Maßnahmen sichert. Ein Umdenken in Richtung Prävention ist - gerade bei Mangel an finanziellen Mitteln - besonders wichtig, da die gezielte Prävention von Krankheiten in jedem Falle mit weniger Kosten verbunden ist als die Behandlung bei Erkrankungen, die unter Umständen zudem eine kostenträchtige, lang dauernde Rehabilitation erfordern. Über die Empfehlung von Beratung und Vorsorge hinaus, die von den Krankenkassen bis zur vergangenen Legislaturperiode wesentlich stärker als Aufgabe gesehen wurde, muss jetzt freilich die Prävention gesetzlich eindeutig festgelegt werden und darf nicht als gelegentliche Marketing-Maßnahme der Kassen vorkommen.

Die kausalen Verknüpfungen zwischen den Defiziten an Prävention und den (unnötig) hohen Morbiditäts- und Mortalitätsraten sind so offensichtlich, dass die unmittelbar notwendigen Maßnahmen zur Behandlung Kranker in Zukunft unbedingt von wirksamen präventiven Maßnahmen begleitet werden müssen. Abwarten und Resignieren wären nicht zuletzt im Hinblick auf das menschliche Leid, das durch viele verhütbare Erkrankungen bedingt ist, unverantwortlich.

Das Betreiben von Prävention setzt schließlich den Erwerb von Wissen durch die Betroffenen und eine entsprechende Änderung des Verhaltens (aufgrund entsprechender Gesundheitserziehung und Motivierung) voraus. Um dies zu erreichen, empfehle ich, ein Schulfach “Gesundheitserziehung” einzuführen. Ferner ist es erforderlich, dass Medizinstudenten und Ärzte in Fragen der Prävention viel besser aus- und weitergebildet werden. Die Medizin muss sich grundsätzlich von einer überwiegend reparativen zu einer überwiegend präventiven Medizin umstellen. Dies wird ein schwieriger und mühsamer Weg sein. Ohne ein nachhaltiges Engagement der Medien und ein Umdenken des Ärzte, der Krankenversicherungen und der Politiker wird ein Erfolg nicht zu erzielen sein. Auch wird man ohne eine auf den vorliegenden Erkenntnissen beruhende, bewusste Änderung der Esskultur in weiten Bevölkerungskreisen, insbesondere auch seitens der Jugend, das Ziel kaum erreichen können. Die Kantinen sowie insbesondere die Hersteller von “Fast food” und Fertiggerichten müssen umlernen. Das nächste Ziel muss es jetzt sein, die neuen Erkenntnisse bei Ärzten und Laien bekannt zu machen und in praxi umzusetzen. Vielleicht kann diese Veröffentlichung ein wenig dazu beitragen, diesem Ziel näherzukommen.

Verfasser:

Prof. Dr. med. em. Ch. Lauritzen
Ulm